zum Hauptinhalt
Wasser marsch! 20 Runden flog der Löschhubschrauber der Bundeswehr über dem brennenden Waldgebiet bei Fichtenwalde und schüttete je 5000 Liter Wasser über den Brand. Durch Munition im Boden war das Brandgebiet für die Feuerwehr nur bedingt zugänglich.

©  Christian Pörschmann/dpa

Brandenburg: Rettung von oben

Braucht das Land Löschflugzeuge zur Waldbrandbekämpfung? Politiker und Experten sind uneins

Potsdam - Der Großband in Fichtenwalde (Potsdam-Mittelmark) war bereits unter Kontrolle, da wurde die Situation noch einmal kritisch. Das Kerosin schien dem Löschhubschrauber der Bundeswehr, der bis zu 5000 Liter Wasser über dem Brand abschütten kann, auszugehen. Nachschub wurde angefordert, denn wegen im Boden gelagerter Munition konnten die Einsatzkräfte lediglich mit Löschpanzern und eben aus der Luft die qualmenden Glutnester bekämpfen. Am Abend dann die Entwarnung: „Der Sprit hat gereicht, der Löschhubschrauber hat seinen Einsatz nach 20 Flügen beendet“, sagte Kreissprecher Kai Uwe Schwinzert den PNN. Die Feuerwehr hat den Brand in Fichtenwald unter Kontrolle.

Entbrannt ist dagegen eine politische Debatte über die Ausrüstung der Feuerwehren im Land. Die Bundesvorsitzende der Grünen, Annalena Baerbock, forderte angesichts des Klimawandels mehr Zusammenarbeit der Länder bei der Waldbrandbekämpfung. „Es braucht bundesländerübergreifende Katastrophenpläne, ausreichende Spezialisten und eine gute Ausrüstung zum Beispiel mit Löschflugzeugen“, sagte Baerbock, in deren Wahlkreis auch Fichtenwalde liegt. Eine Neuanschaffung forderten indes auch AfD und CDU in Brandenburg. „Gerade weil Brandenburg über zahlreiche munitionsbelastete Flächen verfügt, die unter Umständen mit herkömmlichen Löschfahrzeugen nicht erreicht werden können, kann die Anschaffung von Löschflugzeugen oder Löschhubschraubern sinnvoll sein“, sagte Jan Redmann, parlamentarischer Geschäftsführer der CDU-Fraktion. Prominente Unterstützung bekommen sie auch von Johann Georg Goldammer, Europas einzigem Waldbrandforscher. „30 bis 40 Jahre lang hatten wir ein gemäßigtes und weitgehend ausgeglichenes Klima, jetzt spüren wir den Klimawandel, der zunehmend extreme Wetterlagen mit sich bringt“, sagte der Forscher am Max Planck Institut für Chemie in Freiburg der „Welt“. Man müsse sich künftig besser anpassen, so Goldammer: „Die Bundesländer sollten sich für die gemeinsame Anschaffung zusammentun, um gemeinsame Finanzierung und Nutzung abzustimmen.“

Der Sprecher des brandenburgischen Innenministeriums, Ingo Decker, wies diese Forderungen vehement zurück. „Das ist eine reine Scheindebatte“, sagte er hörbar genervt. Die Zusammenarbeit über Ländergrenzen hinweg funktioniere, die Notwendigkeit für ein neues Konzept gebe es momentan nicht. „Priorität hat jetzt die Bekämpfung aller Waldbrände im Land“, sagte er. Allein in diesem Jahr hat es in Brandenburgs Wäldern schon 275 mal gebrannt. Im gesamten Vorjahr waren lediglich 138 Waldbrände gezählt worden, 2016 waren es 232.

Decker betonte, dass man keine landeseigenen Löschflugzeuge brauche, schließlich würden diese dann elf Monate ungenutzt herumstehen. „Uns fehlt keine Komponente“, sagte er. Entscheidend sei, dass man Löschhubschrauber bei Bedarf zeitnah bei Bundeswehr oder Bundespolizei anfordern könne. „Das hat immer und auch in Fichtenwalde tadellos funktioniert“, sagte Decker. Innenstaatssekretärin Katrin Lange (SPD) fügte hinzu: „Die Leistungsfähigkeit des Brandschutzes in Brandenburg ist einmal mehr deutlich unter Beweis gestellt worden.“

Staatliche Löschflugzeuge gibt es in Deutschland keine mehr. In der Vergangenheit hatte Brandenburg bei Waldbränden jedoch auch Löschflugzeuge eingesetzt, zuletzt über einen privaten Dienstleister in Kyritz (Ostprignitz-Ruppin) nordwestlich von Berlin. 2014 ging der jedoch aus Mangel an Aufträgen insolvent und verkaufte seine letzten vier Lösch- und Agrarflugzeuge nach Osteuropa und Südamerika.

Auf dem Flugplatz in Kyritz erinnert man sich noch genau an die rotlackierten Flugzeuge. „Das waren sogenannte Dromedar-Flugzeuge vom Typ M18“, sagt Lutz Fitzner, Flugleiter am Flughafen. Er könne es nicht nachvollziehen, dass die Bundesländer keine Löschflugzeuge mehr betreiben würden. „Das ist ein Unding“, sagt er und hofft auf eine Kooperation der Länder und die Rückkehr der Flugzeuge. „Hier gäbe es doch alles: eine renommierte Flugschule und eine große Werft.“

In ebendieser Werft arbeitet Remo Sängebusch als Flugzeug-Mechaniker. Bis zur Insolvenz war er bei der Löschflugzeug-Firma beschäftigt. „Eigentlich waren das Agrarflugzeuge, die wir im Erzgebirge zur Waldkalkung benutzt haben“, erinnert er sich. Im Brandfall habe man die Maschinen, die 2000 Liter Wasser fassen können, schnell umfunktionieren können. „Es war eine schöne Zeit, doch es muss auch wirtschaftlich sein“, sagt Sängebusch.

Auch der Präsident des Deutschen Feuerwehrverbandes, Hartmut Ziebs, hält Löschflugzeuge für wenig sinnvoll. „Es fehlen große Gewässer zum Tanken“, sagte er den PNN. Wenn Löschflugzeuge, wie die alten Brandenburger Modelle, nach jedem Wasserschwall landen und wieder aufgetankt werden müssten, sei das nicht effektiv. Der Löschhubschrauber der Bundeswehr hatte beim Einsatz in Fichtenwalde Wasser im nahen Schwielowsee aufgetankt – ohne zu landen.

Wichtiger, so Ziebs, sei die Prävention in den Wäldern, auch Frühwarnsysteme wie Fire Watch hätten sich bewährt. Auch Grünen-Chefin Baerbock forderte mehr Prävention. „Wir brauchen den Umbau von Monokultur-Kieferwäldern hin zu artenreichen Mischwäldern.“ Diese seien weniger brandgefährdet und ein Gewinn für die Biodiversität. „Das ist keine neue Forderung, sondern wird schon lange gemacht“, sagte der Waldbrandschutzbeauftragte im Land, Raimund Engel. Auch er sprach sich gegen landeseigene Löschflugzeuge und für mehr Prävention aus. „Das ist aber eine Generationenaufgabe.“

Zur Startseite