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Polizeischutz vor dem jüdischen Moses-Mendelssohn-Zentrum in Potsdam.

© Andreas Klaer

Update

Polizeibilanz für 2020: Zahl antisemitischer Straftaten in Brandenburg so hoch wie nie

Die politisch motivierte Kriminalität ist 2020 in Brandenburg zurückgegangen. Sorgen bereiten der Polizei aber zwei Entwicklungen.

Potsdam - Ein Junge wird auf einem Schulhof geschlagen und als „Scheiß Jude“ beschimpft. Bei der Vorbereitung des Laubhüttenfestes wird ein Mitglied der Jüdischen Gemeinde in Potsdam nach dessen Aussagen von einem Nachbarn von der Leiter gestoßen. Das sind zwei von 147 antisemitischen Straftaten, die die Brandenburger Polizei im Vorjahr registriert hat: der Höchstwert seit Einführung der Statistik für politisch motivierte Kriminalität 2001. 97 Prozent dieser Taten hatten einen rechtsextremen Hintergrund. 

Antisemitismus bricht sich auch im Internet Bahn 

Er verurteile die kontinuierlich steigende Zahl antisemitischer Straftaten in Brandenburg „auf das Schärfste“, sagte Innenminister Michael Stübgen (CDU) am Dienstag bei der Vorstellung der Statistik für 2020. Die Polizei werde weiter konsequent jüdische Einrichtungen und jüdisches Leben im Land schützen. Unter den im Vorjahr angezeigten antisemitischen Taten waren sechs Gewaltdelikte und 54 Straftaten, die im Internet begangen wurden, darunter 42 antijüdische Hasspostings. „Täter verstecken sich hinter einer vermeintlichen Anonymität im Internet, betreiben offen Hetze und schüren Hass“, sagte Polizeipräsident Oliver Stepien. Und das nicht nur gegen Jüdinnen und Juden: In Summe 142 Hasspostings zählte die Polizei 2020, 112 davon mit rechtem Hintergrund – ein rasanter Anstieg nach insgesamt 54 im Vorjahr. Er gehe davon aus, dass mehr solcher Delikte angezeigt werden, so Minister Stübgen. Gleichzeitig will das Land stärker gegen Hetze im Netz vorgehen: Beim Landeskriminalamt wird eine Zentralstelle „Bekämpfung der Hasskriminalität im Internet“ aufgebaut, bei der Generalstaatsanwaltschaft ein Beauftragter eingesetzt. 

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Straftaten im Zusammenhang mit Corona 

Antisemitische Vorfälle in Zusammenhang mit Protesten gegen die Corona-Maßnahmen seien in Brandenburg „Einzelfälle“, so Polizeipräsident Stepien. Wie das Landespolizeipräsidium auf Nachfrage mitteilte, wurden 2020 fünf solcher Taten mit Corona-Bezug registriert, in allen bestehe der Verdacht der Volksverhetzung, in vier Fällen wurden entsprechende Äußerungen in sozialen Medien gepostet. In dem fünften Fall habe eine Beschuldigte Unmut über Einsatzmaßnahmen der Polizei nach einem Verstoß gegen die Eindämmungsverordnung geäußert „und schimpfte unter Verwendung antisemitischer und volksverhetzender Aussagen lautstark in der Öffentlichkeit“, sagte Präsidiumssprecher Torsten Herbst. Keiner der fünf Fälle sei aus einer Versammlung heraus begangen worden. Insgesamt zählte die Polizei 120 politisch motivierte Straftaten im Zusammenhang mit der Pandemie wie Verstöße gegen das Versammlungsgesetz, Beleidigungen oder Widerstand gegen Polizisten, darunter 20 Gewaltdelikte. 43 Taten wurden aus dem rechten Spektrum heraus begangen, sieben aus dem linken. 70 können keinem Bereich zugeordnet werden, darunter fallen etwa „Reichsbürger“.

Die höchste Deliktzahl in einem Nichtwahljahr 

Die Zahl politisch motivierter Delikte ging im Vergleich zu 2019, einem Jahr mit Kommunal-, Europa- und Landtagswahlen, von 2978 auf 2250 insgesamt zurück. Laut Stübgen kein Grund zur Entwarnung, denn es ist die höchste Zahl in einem Nichtwahljahr. Schwerpunkt bleibt weiterhin der Rechtsextremismus. 1750 Taten (78 Prozent) hatten einen rechten Hintergrund. Kriminalität von Links ging um knapp 69 Prozent auf 168 Fälle zurück. Als religiöse ideologische Fälle wurden 35 Taten erfasst. 

Marion Kaufmann

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