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Christian Stäblein, Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, bei einem ökumenischen Gottesdienst zum Tag der Deutschen Einheit.

© dpa

Online-Debatte der Evangelischen Landeskirche: Stäblein: Hohe Kirchenaustrittszahlen sind verstörend

Die Evangelische Landeskirche muss wegen Corona einen Nachtragshaushalt beraten. Es fehlen 21 Millionen Euro an Kirchensteuern. Mahnende Worte von Landesbischof Christian Stäblein.

Berlin - Statt eines Abendmahlsgottesdienstes gab es eine Andacht im Videostream. Statt in der Bartholomäuskirche am Berliner Friedrichshain saßen die Delegierten zu Hause, vor Bücherregalen oder, wie der Prenzlauer Superintendent Reinhard Müller-Zetsche, vor einem überdimensionalen Bild der Golden-Gate-Bridge. Und statt Stimmzetteln und Wahlurnen gab es ein digitales Voting-Tool. 

Zum ersten Mal in ihrer Geschichte tagt die Landessynode der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz komplett im Internet. Denn der Landeskirche wurde die Corona-Situation in Berlin-Mitte schlicht zu heiß. Und während manche Sitzung eines Ausschusses des Potsdamer Landtags in den letzten Monaten komplett im Chaos verlief, funktionierte die Tagung des evangelischen Kirchenparlaments nahezu reibungslos.

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Die Kirche muss sparen

Dabei waren durchaus knifflige Themen zu beraten: Schließlich führt die Coronakrise dazu, dass die EKBO im laufenden Jahr rund acht Prozent, also etwa 21 Millionen Euro, weniger Kirchensteuern einnimmt – denn Kirchenmitglieder, die Kurzarbeitergeld erhalten, zahlen darauf keine Kirchensteuern. Die Synode beriet daher am Donnerstag in erster Lesung über einen Nachtragshaushalt. 

„Einsparungen erfolgen etwa bei Dienstreisen und Veranstaltungen“, sagte der Leiter der Finanzabteilung der EKBO, Oberkonsistorialrat Hartmut Fritz. „Insgesamt ist ein Ausgleich des Nachtragshaushalts nur durch eine Entnahme von sechs Millionen Euro aus der Risikorücklage möglich.“ Deutlich wurde während der Tagung der Synode, dass die EKBO aus demographischen Gründen, aber auch wegen der steigenden Zahl der Kirchenaustritte mit noch höheren Einnahmeausfällen rechnen muss. 

Austrittszahlen müssten die Kirche „aufrütteln“

„Es macht keine Freude, wenn man die Austrittszahlen ansieht“, sagte Landesbischof Christian Stäblein während der Synode. „Man kann und ich will mich damit nicht abfinden.“ Die Austrittszahlen seien verstörend und müssten die Kirche „aufrütteln“. 2019 zählte die noch 914.000 Gemeindeglieder in Berlin, Brandenburg und Sachsen zählende Landeskirche mehr als 15.000 Kirchenaustritte. 2007 waren es lediglich 8800.  

In seinem „Wort des Bischofs“ hatte Landesbischof Christian Stäblein zuvor neue Ideen für die Kirche gefordert. „Wir brauchen einen Wettbewerb der Ideen, keinen der Spardepression“, sagte Stäblein. Nötig sei „ein Wettbewerb der guten Ideen, dann wird uns auch nicht bange, irgendwann Kirche womöglich in ganz neuen Finanzierungsmodellen zu denken und zu leben.“ 

Zudem forderte der Theologe mehr Engagement für die Flüchtlinge auf Lesbos. "Ich schäme mich für ein Europa, das hier nicht recht vorwärts kommt", sagte Stäblein. Wieder und wieder habe die Kirche Hilfe für die Menschen auf Lesbos gefordert. "Und auch heute sage ich, holt die Menschen da raus, alle!"

Beraten wurde am Donnerstag ferner über ein Kirchengesetz zum Schutz vor sexualisierter Gewalt. Es regelt unter anderem, dass rechtskräftig wegen sexuellem Missbrauchs verurteilte Täter in den Gemeinden, Werken und Einrichtungen der Landeskirche im Regelfall nicht mehr eingestellt werden dürfen. 

Freitag soll das Kirchengesetz beschlossen werden

Zudem legt das Kirchengesetz Schutzkonzepte und Meldepflichten fest – so soll es bereits auf der Ebene der Kirchenkreise Ansprechpersonen für die Prävention von sexuellem Missbrauch geben. Auch die Schaffung einer Anlaufstelle für Betroffene sowie einer Unterstützungsstruktur wird nun kirchenrechtlich festgeschrieben. 

„Die EKBO setzt sich für einen Schutz vor sexualisierter Gewalt ein“, sagte die Berliner Generalsuperintendentin Ulrike Trautwein. Angesichts der in den letzten Jahren bekannt gewordenen Missbrauchsfälle seien alle in der Kirche Mitarbeitenden zu einer Haltung der Achtsamkeit, der Aufmerksamkeit und des Respekts verpflichtet. Das Kirchengesetz soll ebenso wie der Nachtragshaushalt am Freitag final beschlossen werden.

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