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Oberstleutnant Anastasia Biefang ist die erste transsexuelle Kommandeurin der Bundeswehr.

© ZB

Oberstleutnant Anastasia Biefang: Queer bei der Bundeswehr

Vor drei Jahren kam Oberstleutnant Anastasia Biefang als erste transsexuelle Bundeswehr-Kommandeurin nach Storkow. Nun geht sie nach Bonn.

Von Jeanette Bederke, dpa

Storkow - „Ich bin nicht gut im Loslassen“, bekennt Oberstleutnant Anastasia Biefang mit ernstem Gesichtsausdruck. Vor drei Jahren war die 46-Jährige als erste transsexuelle Bundeswehr-Kommandeurin nach Storkow (Oder-Spree) gekommen und hatte in der Kleinstadt das Kommando des dort stationierten Informationstechnikbataillons 381 übernommen. Am 27. Oktober dieses Jahres verlässt sie diesen Posten und übernimmt eine neue Aufgabe als Referatsleiterin im Kommando Cyber- und Informationsraum in Bonn (Nordrhein-Westfalen).

Der turnusmäßige Wechsel alle drei Jahre sei normal in der Bundeswehr, fast schon ein Ritual und in der Regel ohne die Möglichkeit einer Rückkehr. Dennoch falle ihr der Abschied schwer, sagt die gebürtige Krefelderin. „Das liegt zum einen an der unglaublich befriedigenden und positiv anstrengenden Arbeit als Kommandeurin über 700 IT-Spezialisten der Bundeswehr, zum anderen an der engen Verbundenheit mit der Stadt Storkow. Alle haben mich sehr offen aufgenommen“, resümiert Biefang. Für die erste transsexuelle Kommandeurin der Bundeswehr war das alles andere als selbstverständlich, wie sie betont.

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Seit über 20 Jahren bei der Bundeswehr

Vor 26 Jahren hatte sie bei der Bundeswehr angefangen, damals noch als Sohn eines lang gedienten Soldaten. Biefang machte als Mann Karriere bis hin zu Generalstabsausbildung, wagte allerdings vor gut fünf Jahren ihr „Coming out“, weil sie sich bereits lange mehr als Frau, denn als Mann gefühlt hatte und es ihr zunehmend körperlich schlecht ging. Ihre Vorgesetzten hätten ihr den mühsamen Weg zur Frau - von der Hormontherapie über die schmerzhaften Operationen bis hin zu den dafür notwendigen Ausfallzeiten - leicht gemacht, sagt sie. „Ich wurde von der Bundeswehr nicht versteckt, in meiner neuen Position als Kommandeurin wäre das auch gar nicht gegangen“, meint die 1,87 Meter große Frau mit den blonden Haaren schmunzelnd.

Biefang entschied sich bei der Bundeswehr für eine Geschlechtsangleichung.
Biefang entschied sich bei der Bundeswehr für eine Geschlechtsangleichung.

© promo

Ihre persönliche Geschichte wollte die in Berlin lebende Offizierin nicht ständig zum Thema machen. „Doch wenn ich darauf angesprochen werde, stehe ich Rede und Antwort“, machte sie von Beginn an in Storkow klar. Fragen seien durchaus gekommen, sowohl in der Kurmark-Kaserne, als auch in der Stadt. „Aber es war während der drei Jahre hier nicht das bestimmende Thema, wie ich zunächst befürchtet hatte“, freut sich Biefang.

"Menschlich wird sie hier fehlen"

In der Truppe legte sie Wert „auf Nähe zum Einzelnen“, war am Feedback der ihr unterstellten Soldaten interessiert, deren Aufgabe es ist, die mobilen Datenverbindungen bei Einsätzen und Übungen der Bundeswehr im In- und Ausland herzustellen. „Menschlich wird sie hier fehlen, mit ihrer Offenheit, Herzlichkeit und Emotionalität“, bestätigt Oberleutnant Fränzi Pietke, Personaloffizierin des Informationstechnikbataillons 381. Die 46-Jährige habe den Angehörigen des Bataillons zudem eine völlig neue, queere Welt gezeigt, offenbart Pietke, die selbst aus einer ländlichen Region in Sachsen stammt.

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Unvergesslich für die scheidende Kommandeurin ist auch der mehrmonatige Auslandseinsatz in Afghanistan während ihrer Storkower Zeit. „Ich arbeitete dort auch als Beraterin der afghanischen Armee, in der auch Frauen dienen“, beschreibt Biefang, die es sich zur Aufgabe machte, der ausschließlich männlichen Führungsriege ihrer Gastgeber den Stellenwert der Frau in ihren Streitkräften zu verdeutlichen. „Gemeinsam mit einer afghanischen Journalistin moderierte ich zum Internationalen Frauentag eine Veranstaltung, in der die weiblichen Soldaten ihre Träume und Zukunftsvorstellungen beschrieben. Das war sehr spannend“, erinnert sich die 46-Jährige, die als Abschiedsgeschenk unter anderem einen mit Stoff verzierten Schminkspiegel erhielt.

Anastasia Biefang Anfang Februar 2020 im Thalia-Kino in Babelsberg.
Anastasia Biefang Anfang Februar 2020 im Thalia-Kino in Babelsberg.

© Manfred Thomas

Dass Biefang 2018 ihre Frau mit einem rauschenden Fest auf der Burg Storkow geheiratet hat, zeigt, wie verbunden die scheidende Kommandeurin mit der Region bereits nach kurzer Zeit gewesen sein muss. „Ich habe hier wahnsinnig freundliche Menschen getroffen, war auch in der Freizeit mit meiner Frau viel in der Region unterwegs und kenne mich in Storkow jetzt ziemlich gut aus“, resümiert Biefang.

Freundschaft mit Storkows Bürgermeisterin geschlossen

Wohltuend sei für sie vor allem gewesen, dass sie wertgeschätzt wurde „als der Mensch, der ich bin“, betont sie. Eine Freundschaft verbindet sie inzwischen mit Storkows Bürgermeisterin Cornelia Schulze-Ludwig (SPD). „Wir werden auf jeden Fall in Kontakt bleiben. Anastasia Biefang ist eine wunderbare Person “, bestätigt die Chefin der Kommune, mit der die Bundeswehr bereits 2014 einen Patenschaftsvertrag abgeschlossen hat, um die Verbundenheit mit dem Standort zu pflegen. Schulze-Ludwig wird „selbstverständlich“ am 27. Oktober dabei sein, wenn die bisherige Kommandeurin die Führung des Informationstechnikbataillons 381 offiziell an ihren Nachfolger Oberstleutnant Marc Tachlinski übergibt.

Auf ihrem neuen Posten in Bonn wird Biefang als Referatsleiterin für die Einsatz- und Übungsplanung im Kommando Cyber- und Informationsraum zuständig sein. „Es wird eine neue Herausforderung, verbunden mit sehr viel Arbeit.“ Im Storkower Bataillon hatte sie vier weibliche Offiziere in ihrer Leitungsriege und damit eine hohe weibliche Führungsdichte, ein „richtiger und zukunftsweisender Kurs“, findet sie. Dahingehend müsse sie sich in Bonn wohl erst wieder umgewöhnen, vermutet Biefang. (dpa)  

Jeanette Bederke

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