zum Hauptinhalt
Die Linke fuhr bei der letzten Landtagswahl mit 10,7 Prozent ihr schlechtestes Ergebnis ein und ist nicht mehr in der Regierung. Am Sasmtag fand ein Parteitag in Templin statt - mit der Wahl einer neuen Doppelspitze.

© Christophe Gateau/dpa

Linken-Parteitag in Templin: Von Aufbruchstimmung kaum etwas zu spüren

Brandenburgs Linke wählt nach der Landtagswahlschlappe eine teils neue Doppelspitze. In Schwung kommt die Parteimitglieder auf dem Parteitag aber kaum.

Templin - Die Linke steht mit dem Rücken zum Fenster. Durch die breite Glasfront fällt fahles Tageslicht auf die Bühne, während die Brandenburger Linke ihre Generaldebatte hält. Aber die Stimmung will sich nicht aufhellen im Uckermark-Saal des Templiner Ahorn-Hotels. Aufbruch, Neustart, Jetzt-erst-recht. Davon ist kaum etwas zu spüren bei diesem Parteitag am Samstag und Sonntag. Der Landtagswahlschock, er ist noch nicht verdaut.

Die Linke, zuvor zehn Jahre Juniorpartner in einer rot-roten Koalition, brach am 1. September auf 10,7 Prozent ein, ihr bislang schlechtestes Ergebnis in der Geschichte. Seit November ist sie nicht mehr in der Regierung. Hinter der AfD ist die Linke nur zweitstärkste Oppositionsfraktion. Dazu kommt ein erheblicher Mitgliederschwund. Aktuell hat der Landesverband 5526 Mitglieder, Ende 2018, vor der Landtagswahl, waren es noch rund 5800. Weniger Mitgliedsbeiträge und das schlechte Abschneiden bei der Wahl bedeuten für die Partei auch rund 200.000 Euro weniger im Haushalt – und damit eine knappe Kasse für den Bundestagswahlkampf, wie in Templin deutlich wird.

Bei der Landtagswahl wurde die Linke, vorher in Brandenburg kaum vorstellbar, sogar knapp von den Grünen überholt, die den Linken nicht nur im Erkennen von Themen – Hebammenversorgung, Nahverkehr auf dem Land, Klimaschutz – einen Schritt voraus waren, sondern auch in der symbolhaften Wahl des Tagungsortes fernab von Potsdam. Im Dezember wählten die Grünen im selben Templiner Plattenbau-Hotel ihre neue weibliche Doppelspitze.

Die Suche nach dem revolutionären Geist

Das bisherige Führungsduo der Linken, Anja Mayer und Diana Golze, musste für die Wahlschlappe, auch für die Vorbereitung des Wahlkampfes, viel Kritik einstecken. Golze, die in der vergangenen Legislatur im Zuge des Lunapharm-Skandals als Gesundheitsministerin zurückgetreten und so als Spitzenkandidatin für die Wahl nicht mehr vermittelbar war, kandidierte am Samstag nicht wieder für die Landesspitze. „Die Menschen in Brandenburg haben eine klare Erwartung an uns“, sagt sie bei ihrer Abschiedsrede. Aber nur gut zehn Prozent der Wähler seien davon überzeugt gewesen, dass die Linke Antworten auf soziale Fragen geben könne. Das müsse sich ändern, auch indem die Linke nach außen geschlossen auftrete. „Es geht nicht um einzelne Egos“, sagt Golze. „Nur einen neuen Landesvorstand zu wählen wird uns nicht helfen.“

Diana Golze (links), die scheidende Landesvorsitzende gratuliert Anja Mayer (Mitte), und Katharina Slanina.
Diana Golze (links), die scheidende Landesvorsitzende gratuliert Anja Mayer (Mitte), und Katharina Slanina.

© Christophe Gateau/dpa

Aber was hilft dann? Über weite Strecken hat dieser Parteitag das beklemmend-angespannte Ambiente einer Geburtstagsfeier bei einer ältlichen Großtante, auf der kaum oder allenfalls übers Wetter geredet wird, anstatt Konflikte offen auszutragen. Tatsächlich wird am Nachmittag eine fette Buttercremetorte angeschnitten, mit Sektchen angestoßen – zum 30. von PDS/Die Linke Brandenburg. „Der revolutionäre Geist unserer Partei, ist er noch hier?“, fragte eine Genossin während der Generaldebatte fast zaghaft. Im Uckermark-Saal ist von Revolution nichts zu spüren. Jedenfalls von keinem Brandenburger. Lange Strecken geht es um Thüringen. Für die Erfurter Linke-Landespartei- und Fraktionschefin Susanne Hennig-Wellsow, die FDP-Mann Thomas Kemmerich nach der Wahl zum Ministerpräsidenten mit Stimmen der Höcke-AfD einen Blumenstrauß vor die Füße warf und eine Video-Botschaft nach Templin geschickt hat, halten Mayer und Golze ein T-Shirt hoch. „Frauen, die sich gut benehmen, schreiben selten Geschichte“, steht darauf auf Englisch.

"Anständige Politik gemeinsam mit den Menschen"

Für die Geschichtsbücher reicht das spätere Wahlergebnis Mayers nicht. Mit nur 61,7 Prozent der 128 Delegiertenstimmen wird die in Bayern aufgewachsene Arzthelferin im Amt bestätigt. Die neue, landespolitisch bislang unbekannte Co-Vorsitzende Katharina Slanina bekommt deutlich mehr, 85,2 Prozent. „Ich bin überzeugt, dass unser Landesverband insbesondere nach der Wahlniederlage Aufbruch, aber auch Kontinuität braucht“, so die 40-jährige Mayer in ihrer Bewerbung. In den vergangenen Monaten habe es innerhalb des Landesverbandes an Solidarität gemangelt. Manches, was gesagt worden sei, „war unter der Gürtellinie“. Sie und Slanina „wollen anständige Politik gemeinsam mit den Menschen machen“. Die 42-jährige Rechtsanwältin Katharina Slanina arbeitet als Personalleiterin bei der Linken-Bundestagsfraktion, war Bürgermeisterkandidatin in Schorfheide und ist stellvertretende Kreisvorsitzende ihrer Partei im Barnim. „Wir müssen klarer und lauter in unseren Forderungen nach mehr Solidarität, gerechteren Lebensbedingungen, Frieden, Willkommenskultur, Antifaschismus werden“, so Slanina in ihrer Bewerbung.

Klaus Lederer (Die Linke), Berlins Senator für Kultur und Europa, auf dem Landesparteitag der Linken. Auf dem Parteitag wird ein neuer Landesvorstand gewählt.
Klaus Lederer (Die Linke), Berlins Senator für Kultur und Europa, auf dem Landesparteitag der Linken. Auf dem Parteitag wird ein neuer Landesvorstand gewählt.

© Christophe Gateau/dpa

Zuvor hatte bereits Berlins parteipolitisch krisenerfahrener Linke-Kultursenator Klaus Lederer versucht, den Brandenburgern Mut zu machen. „Geht ins Land hinaus!“ und: „Traut Euch was zu!“ Aber, sieben bleierne Stunden später, inzwischen ist es längst dunkel geworden, ist es Sebastian Walter, der die Genossen aus ihrer Lethargie reißt. Der 29 Jahre alte Fraktionsvorsitzende erweist sich einmal mehr als derzeit bester Redner seiner Partei. Im Wechsel mit der Co-Fraktionsvorsitzenden Kathrin Dannenberg reitet er auf der Bühne verbale Attacken gegen die neue Kenia-Koalition aus SPD, CDU und Grünen. Diese habe nichts anderes anzubieten als das Tesla-Projekt. „Jede Currywurstbude in Brandenburg hat bislang mehr für die regionale Wirtschaft getan als Tesla“, ruft Walter. Die Linke sei nicht gegen dieses Projekt, betont er, aber: „Wenn Elon Musk Wirtschaftsförderung bekommt, erwarte ich, dass das an Bedingungen geknüpft wird, an Tariftreue.“

Sebastian Walter, Fraktionsvorsitzender der Partei Die Linke in Brandenburg, auf dem Parteitag in Templin.
Sebastian Walter, Fraktionsvorsitzender der Partei Die Linke in Brandenburg, auf dem Parteitag in Templin.

© Christophe Gateau/dpa

Zeichen der Solidarität eingefordert

Tariftreue, Solidarität – Walter, Ex-Gewerkschaftssekretär, setzt die linken Schlagworte. Schon eingangs, nach einer Schweigeminute für die Opfer des rassistischen Anschlags von Hanau, formuliert er mit Nachdruck, dass von diesem Parteitag ein Zeichen der Solidarität ausgehen müsse, das Signal, dass für rechte Hetze kein Platz sei in diesem Land. Am Sonntag wird der Parteitag unterbrochen, die Delegierten nehmen an der Demonstration des antifaschistischen Jugendbündnisses in Templin teil. Bundesparteivorsitzende Katja Kipping spricht bei der Kundgebung.

Zuvor auf dem Parteitag sagt Kipping einen Satz, der zwar zu einfach ist, um das ganze Dilemma der Brandenburger Linken zusammenzufassen. Der aber, was mögliche Versäumnisse im Wahlkampf angeht, dennoch erhellend ist: „Egal, ob Herrengedeck oder Sojalatte“, sagt Kipping, „wir reden mit allen.“

Zur Startseite