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In Jänschwalde betreibt Vattenfall ein Kraftwerk, das zu den größten CO₂-Emittenden Europas gehört.

© dpa

Lausitz: Vattenfall trennt sich von der Braunkohle

Der schwedische Energiekonzern Vattenfall bereitet den Verkauf seiner Braunkohle-Sparte vor. 8000 Mitarbeiter, drei Kraftwerke und vier Tagebauwerke in der Lausitz warten auf einen neuen Besitzer.

Noch im Januar soll es soweit sein, alles ist vorbereitet. In einem streng bewachten Daten-Raum wird der Energiekonzern Vattenfall seine Bücher, die Bilanzen, seine Geschäfte mit der Braunkohle in der Lausitz offenlegen. Die Unternehmen, die noch im Bieterverfahren für den Kauf der Lausitz-Tochter des schwedischen Staatskonzerns sind, können dann genau lesen, worauf sie sich bei der Braunkohle-Sparte einlassen würden. Nach allem, was überhaupt in diesen Tagen aus dem Konzern zum Verkauf des Tochterunternehmens dringt, deutet sich immerhin an: In Berlin wickelt Vattenfall die entscheidenden Vorbereitungen für den Verkauf ab. Dazu gehören auch Gespräche mit dem Management der Lausitz-Tochter. Die Manager werden aus dem Nähkästchen plaudern müssen. Für mögliche Investoren die Chance, ihre finanziellen Risiken abzuklopfen.

Vattenfall ist in einer schlechten Situation. Die schwedische Regierung hatte dem Konzern ein Greening verordnet, die Order heißt: die Emissionen klimaschädlichen Kohlendioxid (CO2) sollen auf null gefahren werden. 2014 wurde verkündet, die Lausitz-Tochter mit 8000 Mitarbeitern, drei Kraftwerken und noch vier Tagebauwerken solle verkauft werden. Heute aber sind die Bedingungen und die Zukunftschancen für das Geschäft mit dem Braunkohlestrom alles andere als optimal, die politischen Rahmenbedingungen durch die Energiewende sind ungewiss.

Drei tschechische Interessenten

Mehr als eine Handvoll Bewerber gibt es, wie Konzern-Vertreter dem Tagesspiegel bestätigen. Die Zentrale der deutschen Vattenfall-Tochter hält sich aber äußerst bedenkt, alles soll störungsfrei verlaufen. Offizielle Stellungnahmen beschränken sich derzeit darauf, dass der Verkauf bis Mitte dieses Jahres abgewickelt werden soll.

Bekannt ist bislang, dass drei tschechische Energiekonzerne sich für die Kraftwerke und Tagebaue in Brandenburg und Sachsen interessieren. Sie könnten sich mit einem Kauf strategisch breiter aufstellen. Auch sollen nach Tagesspiegel-Informationen Finanzinvestoren Interesse an der Kohle-Sparte angemeldet haben. Insgesamt sollen es weniger als zehn Unternehmen sein, die bislang unverbindliche Angebote abgegeben haben und bald – nach Sichtung der Bücher – konkrete Kaufsummen nennen sollen.

Offiziell haben zwei tschechische Energieunternehmen Interesse signalisiert: die teilstaatliche CEZ und gemeinsam mit der Investmentgruppe PPF des reichsten Tschechen, Petr Kellner, die EPH, die schon die Mibrag in Sachsen-Anhalt besitzt. Auch das Unternehmen Czech Coal soll unter den Bietern sein. Das Interesse aus Tschechien kommt nicht von ungefähr: Eine neue Energiestrategie legt fest, dass es in Tschechien keinen neuen Tagebau geben soll. Vattenfall hatte explizit für die Interessenten aus Tschechien schon im Vorfeld die Option eröffnet, auch Wasserkraftwerke in Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt mitzukaufen.

Die Gewerkschaft wünscht eine deutsche Lösung

Ob Vattenfall aber überhaupt den auf zwei bis vier Milliarden Euro geschätzten Wert für das Tochterunternehmen in der Lausitz erzielen wird, darüber herrscht selbst bei Insidern im Unternehmen Unsicherheit. Der vierte bekannte Interessent, der Essener Konzern Steag, der auf Wunsch der IG BCE für eine deutsche Lösung in der Lausitz sorgen soll, hat dem Vernehmen nach eine niedrige dreistellige Millionensumme für die Vattenfall-Tochter angeboten. Allerdings haben mehrere Stadtwerke und kommunale Eigner im Ruhrgebiet trotz der vergleichsweise niedrigen Summe Widerstand angemeldet – wegen der Risiken bei einem Einstieg in die Lausitz. Die dürften für alle Beteiligten von Belang sein.

Der Vorteil, dass die Produktionskosten für den Braunkohlestrom vergleichsweise gering sind, ist dahin. Durch die anhaltend niedrigen Strompreise lässt sich weniger Geld verdienen. Und die Bruttostromerzeugung in Deutschland nimmt weiter zu, der Anteil von Braunkohlestrom aber sinkt. Die Produzenten von Braunkohlestrom stehen gehörig unter Druck. Eine Klimaabgabe haben die Kohleländer Brandenburg und Nordrhein-Westfalen gemeinsam mit den Konzernen und IG BCE zwar abgewendet, sie hatten vor einem Strukturbruch ungeahnten Ausmaßes auch in der Lausitz gewarnt. Stattdessen sollen nun einzelne Kraftwerksblöcke in den nächsten Jahren gegen eine Entschädigung abgeschaltet werden – zulasten der Verbraucher und Steuerzahler.

Der Klimagipfel in Paris hat den Druck erhöht

In Vattenfalls Lausitz-Portfolio ist mit dem Kraftwerk Jänschwalde einer der größten CO2-Emittenten Europas. Die Vorbereitungen für zwei genehmigte neue Tagebauwerke in Sachsen und Brandenburg hat Vattenfall gestoppt, wie es damit weitergeht, ist ungewiss. Nach dem Pariser Weltklimavertrag vom Dezember ist der Druck auf die Braunkohle nun noch größer. Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) will den Kohleausstieg beschleunigen.

Wie ernst die Lage ist, zeigt auch die Haltung der Landespolitik. Selbst die SPD in Brandenburg, seit 25 Jahren an der Regierung und immer ein Bollwerk für die Braunkohle, vollzog in dieser Woche einen vorsichtigen Kurswechsel – vor einem Jahr noch undenkbar. Obwohl die Partei gegen einen schnellen Kohleaussstieg ist, stellt sie sich nun erstmals überhaupt darauf ein. Allerdings nur mit der Forderung nach Geld vom Bund, um die Lausitz im Strukturwandel aufzufangen und um für die Vattenfall-Beschäftigten „hochwertige Arbeitsplätze“ zu schaffen. Tatsächlich gibt es im Bund erste Ansätze für ein Hilfspaket von vier Millionen Euro pro Jahr. Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) geht von einem beschleunigten Strukturwandel und von einer Lausitz ohne Strom aus Braunkohle aus.

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