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Landtagswahl 2019: Die Parteien in Brandenburg und der Umgang mit dem Wahlergebnis

Die Parteien nach der Landtagswahl: Viel Demut, ein Scherbengericht, eine Partei mit Bedingungen, hier Fehlersuche, dort das Versprechen für harte Arbeit und ein neues Politikmodell.

Potsdam - Es ist der Tag nach dem großen Zittern im Land Brandenburg: Bei der Wahl am Sonntag hatte es die SPD unter Ministerpräsident Dietmar Woidke doch noch einmal zum Sieg gebracht, zugleich aber ist die AfD im Land zweitstärkste Kraft geworden. Dagegen mussten CDU und Linke historische Niederlagen hinnehmen. Wie gehen die Parteien mit dem Votum des Wahlvolkes um? Und welche Bündnisse werden nun ausgelotet? Im Landtag lieferte eine Pressekonferenz von Parteispitzen Einblicke, wie es in der Brandenburger Landespolitik jetzt weitergeht. Ein Überblick.

Nach der Landtagswahl am 1. September 2019 versucht Ministerpräsident Dietmar Woidke eine Regierungskoalition zu schmieden.
Nach der Landtagswahl am 1. September 2019 versucht Ministerpräsident Dietmar Woidke eine Regierungskoalition zu schmieden.

© Ottmar Winter

SPD-Sieger mit Demut

Das Mandat, eine Regierung zu bilden, liegt bei der SPD, bei Woidke. Die SPD will mit allen demokratischen Parteien sondieren, in der Reihenfolge der Stärke, also zunächst mit CDU und den Grünen. Mit dieser „Kenia-Koalition“ wäre eine stabile Mehrheit gesichert, die einzige. Rot-Rot-Grün läge nur ein Mandat über den benötigten 45 Sitzen im Parlament.

Dass der SPD-Landesvorstand Woidke am Montagabend den Auftrag für die Gespräche bekommen sollte, galt als sicher.

Vorher schlug SPD-Generalsekretär Erik Stohn leise Töne an. Den Eindruck, dass die SPD auf ein „Weiter so“ setze, wollte er offenkundig vermeiden. Es sei ein Wahlergebnis, das für die SPD „mit Freude und Demut“ verbunden ist, sagte Stohn. Die Sozialdemokraten seien am Ende im Zweikampf mit der AfD auch von Menschen unterstützt worden, die es sonst nicht getan hätten, aber Schlimmeres verhindern wollten. Deshalb sei es Aufgabe der SPD, Enttäuschte zurückzuholen. Es könne kein Zurück hinter Bürgerdialoge und Kabinettssitzungen vor Ort geben. Und er wies darauf hin, dass die SPD-Fraktion im Landesparlament aus 14 neuen Gesichtern und elf bisherigen Parlamentariern bestehen. „Auch bei uns hat eine Erneuerung stattgefunden“, sagte Stohn. Alle 25 Abgeordneten der SPD sind zudem in ihren Wahlkreisen direkt gewählt, sodass kein Abgeordneter über die Landesliste einziehen kann. Diese ist mit dem Ausgang der Brandenburg-Wahl Makulatur.

CDU vor Scherbengericht

In der Union, abgestürzt auf 15,6 Prozent, 7,4 Prozentpunkte weniger als bei der Landtagswahl 2014, gibt es erste Rücktrittsforderungen gegen Parteichef Ingo Senftleben. Einige Kreischefs und Bundestagsabgeordnete lasten ihm – etwa wegen seiner Offenheit für eine Koalition mit den Linken – die Niederlage an und wollen seinen Sturz. „Es gibt Diskussionsbedarf“, sagte Generalsekretär Steeven Bretz – und verwies auf die für den Abend angesetzte Sitzung des Landesvorstandes. Es gehe darum, wie die Union nach außen mit dem Ergebnis umgehe, sagte Bretz. „Aber es geht auch darum, wie gehen wir damit nach innen um.“

Denn trotz des Fiaskos gibt es objektiv die Chance, nach zehn Jahren Opposition wieder in die Regierung zu kommen, was neue Querelen gefährden könnten. Bretz bekräftige die Bereitschaft der CDU, in Sondierungsgespräche zu gehen. Es gehe um Inhalte, besonders wichtig seien innere Sicherheit und Infrastruktur. „Wir sind bereit, uns in die Pflicht nehmen zu lassen.“ Und in einem Brief an die Parteispitze mahnten Brandenburgs CDU-Oberbürgermeister Steffen Scheller und die CDU-Bundestagsabgeordnete Dietlind Tiemann angesichts der Unruhe im Verband, den Wahlkampf intern auszuwerten „und jetzt keine Personaldebatten zu führen“. Jetzt komme es darauf an, geschlossen aufzutreten und die Bereitschaft für eine verlässliche Mitarbeit in einer Regierungskoalition deutlich zu signalisieren. „Nur wer in der Regierung vertreten ist, kann seine Vorstellungen auch umsetzen“, erklärten die beiden CDU-Politiker. Der CDU-Kreischef von Oberhavel, Frank Bommert, dagegen ging als Erster mit der Rücktrittsforderung raus. „Wer solch ein Ergebnis eingefahren hat, kann nicht Vorsitzender bleiben“, sagte er. „Wir müssen neue Wege gehen.“ Bommert gehört zum Lager der Senftleben-Widersacherin Saskia Ludwig – doch die hat im Gegensatz zu Senftleben ihr Direktmandat verloren.

Grüne stellen Bedingungen

Die Lage der Grünen, die mit zehn Prozent ihr bisher bestes Ergebnis holten, ist komfortabel. Sie werden in der Regierung sein, egal ob es Kenia oder Rot-Rot-Grün sein wird. „Wir werden nicht einfach Mehrheitsbeschaffer sein“, stellte Landeschefin Petra Budke schon mal klar. „Es muss einen Richtungswechsel geben.“ Man ziehe „wenige rote Linien“ für Sondierungsgespräche und Koalitionsverhandlungen, einige aber eben doch: So dürfe es keinen neuen Tagebau geben, für die Braunkohle kein weiteres Dorf abgebaggert werden. „Wir wollen früher aus der Kohle raus. Unser Ziel ist es, 2030 auszusteigen.“ Außerdem wolle man Veränderungen in der Landwirtschaftspolitik, eine Überwindung der Massentierhaltung. Für SPD-Ministerpräsident Dietmar Woidke waren beide Punkte bisher ein No-Go.

Linke auf Fehlersuche

Die Linke in Brandenburg, die seit 2009 in der Regierung war, hat der Ausgang der Wahl böse erwischt. In den Umfragen vorher hatte die Partei deutlich besser ausgesehen, ehe sie nun auf 10,7 Prozent abschmierte. Sie gewann kein einziges Direktmandat. Statt 17 hat die Fraktion künftig nur noch zehn Abgeordnete. „Ein katastrophales Ergebnis, das schlechteste seit 1990“, sagte Landesgeschäftsführer Stefan Wollenberg.

Zu Wort meldeten sich am Montag ebenfalls die Spitzenkandidaten. Es gebe auch hausgemachte Probleme, sagte Stefan Walter. „In sechs Wochen vor der Wahl kann man kein verloren gegangenes Vertrauen zurückholen.“ „Ein ,Weiter so‘ wird es in Brandenburg mit uns nicht geben“, sagte Katrin Dannenberg. Es gehe um Inhalte.

Auf die Frage, ob da nicht sowieso ein Gang in die Opposition zur Regenerierung besser wäre, antwortete Wollenberg: „Das ist eine Diskussion, die in den Gremien geführt wird. Wir können beides, Regieren und Opposition.“

AfD verspricht harte Arbeit

AfD-Parteichef Andreas Kalbitz, kurz vor der Wahl wegen neuer Enthüllungen über Verbindungen zu Rechtsextremen unter Druck geraten, kam nicht selbst. Und das obwohl die AfD die größten Zugewinne erzielte, mit 23 Abgeordneten im Landtag vertreten ist, zwölf mehr als bisher. 15 davon gewannen ihre Wahlkreise direkt. Ohne Kalbitz also erschien AfD-Landesgeschäftsführer Lars Hönig auf der live vom RBB übertragenen Pressekonferenz mit den Parteienvertretern, er schlug moderate Töne an: Mit dem Wahlergebnis sei ein anderer Umgang der Altparteien mit der AfD angezeigt, mit der bisher niemand rede, weil ein Abgrenzungskurs gefahren werde. Er kündigte „harte Oppositionsarbeit“ an, um im Landtag die Interessen jener 23 Prozent zu vertreten, die die Partei gewählt hätten. Manchmal reiche es da schon, „dass Probleme angesprochen werden“, die sonst keiner anspreche. Als ein Ziel nannte Hönig, die Hürden für Volksbegehren und Volksinitiativen in Brandenburg zu senken.

Freie Wähler mit neuem Politmodell

Die Freien Wähler sind mit einer fünfköpfigen Fraktion im neuen Landtag vertreten. Ein Mandat hat Fraktionschef Péter Vida in seinem Barnimer Wahlkreis um Bernau direkt geholt. „Fünf Prozent, eine Punktlandung, die uns viele nicht zugetraut haben“, sagte Vida. Der Wähler habe etwa den Einsatz für die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge honoriert, der auf ein von den Freien Wählern angestoßenes und erfolgreiches Volksbegehren zurückgeht. So wolle man weitermachen, dabei die Stimme vieler auch kleinteiliger Bürgerinitiativen sein. Vida sprach sich dafür aus, dass im Land mit „wechselnden Mehrheiten“ regiert wird.

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