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Im braunen Bereich. Am Haidemühler Graben nahe Welzow begutachteten Grünen-Politiker und Umweltaktivisten am Montag das rötlich-braune eisenhaltige Grundwasser, das vom Tagebau Welzow-Süd kommt. Sie zweifeln an den offiziellen Messungen.

© P. Pleul/dpa

Landesbehörde in Brandenburg deckte Verstöße durch Vattenfall: Braune Suppe

Das Landesbergbauamt kennt offenbar seit Jahren die hohen Eisenwerte in Folge des Braunkohletagebaus – soll aber nicht eingeschritten sein. Offenbar half die Behörde dem Energiekonzern Vattenfall sogar, das ganze Ausmaß zu verschleiern.

Potsdam - Das Land Brandenburg hat offenbar über Jahre die Verockerung der Fließe rund um den Tagebau Welzow-Süd und damit auch von Gewässern in Naturschutzgebieten und der Spree geduldet. Das geht aus Unterlagen hervor, die der Naturschutzverband BUND gesichtet hat. Demnach war das zuständige Landesbergbauamt die gesamte Zeit über die starke Verockerung informiert – schritt aber nicht ein.

Die hohen Eisenwerte sind eine Folge des Braunkohletagebaus des Energiekonzern Vattenfall. Das Eisen wird über das Grubenwasser in die Fließe abgepumpt. Aus klaren Bächen wird dann eine braune Suppe, das Eisenocker legt sich als Schlamm auf dem Grund ab und erstickt dort jegliches Leben von Pflanzen und Tieren.

Das Landesbergbauamt legalisierte Verstöße nachträglich

Brisant aber ist: Das Bergbauamt wusste seit Jahren nicht nur von den überhöhten Eisenwerten infolge der Wassereinleitungen durch Vattenfall, ohne einzuschreiten. Obendrein half die Behörde dem Energiekonzern auch dabei, das wahre Ausmaß der Belastung zu verschleiern. Jahrelang operierten Vattenfall und Bergamt mit Werten von amtlich festgelegten Messstellen, die von Vattenfall für die Probeentnahme eigenmächtig verlegt wurden, um bessere Ergebnisse bei den Eisenwerten zu erzielen. Im Nachhinein legalisierte die Behörde diesen Verstoß sogar. Das geht aus Unterlagen hervor, die den PNN vorliegen.

Im Jahr 2010 beantragte Vattenfall beim Landesbergamt etwa eine Änderung der wasserrechtlichen Genehmigung für den Tagebau Welzow-Süd. Die Entnahmestellen für Proben sollten nach dem Willen von Vattenfall verlegt werden – weil es „in den letzten Monaten wiederholt zur Überschreitung“ der Eisenwerte gekommen war, wie Vattenfall dem Landesbergamt freimütig in einem Schreiben mitteilte. Das Ziel: An den neuen Entnahmestellen wäre das Eisenocker längst als Schlamm ausgefällt und „die Gehalte somit deutlich gesenkt“.  Und das Bergamt machte einfach mit.

Proben wurden nicht dort genommen, wo es die Tagebaugenehmigung vorsah

Schließlich stieß der BUND 2014 auf Ungereimtheiten, verglich vor Ort, wo die behördlich festgelegten Einleitstellen liegen sollten und wo sie tatsächlich waren. Der Verband hatte festgestellt, dass die Proben zur Überwachung der Eisenwerte nicht dort genommen wurden, wo es in der wasserrechtlichen Genehmigung für den Tagebau vorgeschrieben war. Und der Verband fand heraus, dass die Eisenwerte, ab denen die Behörde hätte eingreifen müssen, deutlich überschritten wurden. Doch die Behörde tat nichts, auch nachträgliche Kontrollen blieben aus. Der Verband hatte deshalb auch Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Cottbus wegen der Verunreinigung der Fließgewässer am Tagebau Welzow-Süd – also eine möglichen Umweltstraftat – erstattet. Doch die Ermittlungsbehörde stellte die Ermittlungen 2015 ein, sie glaubte der Darstellung des Landesbergamtes.

Es steht die Frage im Raum, ob sogar der Landtag getäuscht wurde

Die vom BUND eingesehen Akten, die den PNN in Auszügen vorliegen, zeigen nun: Das Landesbergbauamt war nicht nur die gesamte Zeit über das Ausmaß der Eiseneinleitung informiert. Es steht auch die Frage im Raum, ob der Landtag getäuscht wurde. Vattenfall meldete seine Messergebnisse nur in Form von Quartalsdurchschnittswerten an das Bergamt, was laut BUND der wasserrechtlichen Erlaubnis widerspricht. Tatsächlich hat es aber – nach Akteneinsicht des Verbandes – von 2009 bis 2014 in jedem Jahr an den Einleitstellen selbst bei den geglätteten Quartalszahlen deutliche Überschreitungen der sogenannten Eingreifwerte gegeben, bei denen das Landesbergamt zwingend hätte handeln müssen. Die Behörde erklärte aber auf eine Landtagsanfrage 2014, dass es nur geringfügige Überschreitungen mal an jener, mal an einer anderen Messstelle gegeben habe. Die genehmigte Verschiebung einer Messstelle wurde in der damaligen Antwort nicht explizit erwähnt. Und die tatsächliche, nämlich dauerhafte Überschreitung der Messwerte wurde hinter Jahresdurchschnittswerten versteckt und kleingerechnet.

Eine nicht erlaubte Einleitstelle wurde nachträglich genehmigt

Auch dass der BUND eine zusätzliche Einleitstelle fand, über die Vattenfall zusätzlich Wasser aus dem Tagebau in die Fließe leitete, löste beim Landesbergamt keine Hektik aus. Dabei war die Einleitstelle nach der wasserrechtlichen Erlaubnis des Tagebaus gar nicht vorgesehen – also ein klarer Rechtsverstoß. Stattdessen nahm die Behörde Anfang dieses Jahres die bis dahin illegale Einleitstelle einfach nachträglich in die Erlaubnis auf. Und sie korrigierte auf Vattenfalls Antrag in der Genehmigung die Koordinaten anderer Einleitstellen. Damit erlaubte sie nachträglich die jahrelange Praxis, statt an den ursprünglich vorgesehenen Stellen Proben an anderer Stelle zu nehmen – um bessere Messwerte zu erreichen.

Landesregierung und Vattenfall sehen kein Problem

Noch in der vergangenen Woche hatte Wirtschaftsminister Albrecht Gerber (SPD) im Landtag erklärt, dass die strengen Überwachungswerte „sicher eingehalten und deutlich unterschritten“ werden. Ein Sprecher von Vattenfall sagte am Montag, man arbeite „strikt im Rahmen der Genehmigungen der Aufsichtsbehörde“.

Doch dass die Grenzwerte gar nicht eingehalten werden können, ist den Fließen anzusehen. Etwa im Teichgebiet Haidemühl und am Flüsschens Kochsa. „Die Verockerung des Fließes ist deutlich zu sehen“, sagte BUND-Landesgeschäftsführer Axel Kruschat bei einer Begehung am Montag. „So wie die Färbung des Wassers aussieht, ist schwer zu glauben, dass die Eisen-Oberwerte eingehalten werden.“ Der Umweltexperte der Grünen im Landtag, Benjamin Raschke, erklärte: „Hier steht der Verdacht einer Manipulation von Messwerten mit dem Segen einer Landesbehörde im Raum.“ Die Welzower Stadtverordnete Hannelore Wodtke (CDU) sprach von einem Skandal, aber es sei schon lange ihre Vermutung, „dass die Landesregierung dem Kohlekonzern alles durchgehen lassen“.

Es wurde passend gemacht, was nicht passte

Der BUND hat übrigens bei der Staatsanwaltschaft Cottbus Beschwerde gegen die Einstellung der Ermittlungen eingelegt. Landesgeschäftsführer Kruschat sagte: „Ein Bergamt, das der Bergbaufirma Vattenfall quasi alles genehmigte, was sie sich wünschte, ist nicht in der Lage, für die Durchsetzung von Gemeinwohlinteressen gegenüber großen Konzernen zu sorgen.“

Die Anwälte des Verbandes sind noch deutlicher: Die Staatsanwaltschaft habe offenbar bislang nicht in Betracht gezogen, dass das Bergamt seine Kontrollpflicht verletzt haben könnte. Die durch die wasserrechtliche Erlaubnis vorgegebenen Grenzwerte seien über einen längeren Zeitraum widerrechtlich überschritten worden. Anwalt Tobias Kroll sagte den PNN: „Es sollte offenbar passend gemacht werden, was nicht passte.“ (mit dpa)

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