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Kritik an Umgang mit Asylbewerbern in Brandenburg: Hungerstreik in der Abschiebehaft

Erneut gibt es schwere Vorwürfe gegen Brandenburgs Abschiebegefängnis für abgelehnte Asylbewerber in Eisenhüttenstadt. Neun Flüchtlinge verweigern die Nahrung. Zudem gibt es Streit um einen Vorfall: Gab es einen erneuten Selbstmordversuch?

Eisenhüttenstadt - Seit Freitag befinden sich 11 von 13 Insassen von Brandenburgs zentralem Abschiebegefängnis in Eisenhüttenstadt wegen der Zustände dort und wegen der drohenden Abschiebung im Hungerstreik. Außerdem fordern die Betroffenen im Alter von 21 bis 33 Jahren unter anderem aus Georgien und Pakistan, darunter eine Frau, freien Zugang zu externer, unabhängiger medizinischer und psychotraumatischer Versorgung. Das teilte das „Netzwerk Lager Eisenhüttenstadt“ am Samstag mit. Das brandenburgische Innenministerium konnte die Angaben in dieser Weise nicht bestätigen. Am Freitag hätten neun Flüchtlingen der Abschiebehafteinrichtung erklärt, dass sie nicht mehr an der Verpflegung teilnehmen wollen, sagte Ministeriumssprecher Wolfgang Brandt am gestrigen Sonntag. Allerdings hätten die neun Insassen selbst keine Gründe für ihr Vorgehen genannt.

Die Abschiebehaftanstalt war in den vergangenen Monaten mehrfach in die Schlagzeilen geraten. Es gab zahlreiche Proteste. Ende Mai hatte sich ein Asylbewerber aus dem Tschad erhängt – vermutlich aus Angst vor seiner Abschiebung nach Italien, wo die Zustände für Flüchtlinge als katastrophal gelten. Zudem soll er in Dresden Opfer eines rechtsradikalen Übergriffs geworden sein. Der Flüchtlingsrat Brandenburg hatte deshalb beklagt, dass die medizinische Versorgung für traumatisierte Asylsuchende in der Aufnahmestelle unzureichend sei.

Am Mittwoch vergangener Woche verletzte sich im Abschiebegefängnis ein 21-jähriger Georgier mit einer Rasierklinge selbst. Er kam mit Schnittverletzungen an den Armen ins Krankenhaus. Flüchtlingsinitiativen sprechen weiterhin von einem Selbstmordversuch wegen der bevorstehenden Abschiebung. Laut eigener Aussage sei er beim Versuch, sich die Halsschlagader aufzuschneiden, vom Wachpersonal überwältigt worden. Das Innenministerium wies die Darstellung zurück. Eine Ministeriumssprecherin sagte, der Mann habe sich nur „oberflächliche Verletzungen“ zugefügt. Auch der 21-Jährige habe dementiert, dass er sich das Leben habe nehmen wollen. Vielmehr leide er unter psychischen Problemen.

Den Flüchtlingsinitiativen zufolge hat der Georgier geschildert, dass er an Klaustrophobie leide und traumatisiert sei. Im Abschiebegefängnis habe er keinen Zugang zu psychotraumatischer Betreuung gehabt. Nach zwei Nächten im Krankehaus sei er am Freitag wieder ins Abschiebegefängnis gebracht worden, obwohl er suizidgefährdet und haftuntauglich gewesen sei. Das „Netzwerk Lager Eisenhüttenstadt“ warf Bundespolizei und Ausländerbehörde ein unverantwortliches und intransparentes Verhalten vor. „Der Suizidversuch ist kein Einzelfall, sondern trauriger Alltag“, heißt es in der Mitteilung des Netzwerks vom Samstag. Beide Selbstmordversuche zeigten, „dass die Zustände in Eisenhüttenstadt Menschen regelmäßig in den Tod treiben können“.

Das Abschiebegefängnis in Eisenhüttenstadt gehört zur Zentralen Ausländerbehörde in Eisenhüttenstadt auf dem Gelände einer früheren Kaserne der DDR-Volkspolizei. Ebenfalls angegliedert ist eine Erstaufnahme-Einrichtung mit 700 Plätzen. Im vergangenen Jahr kamen 1700 Flüchtlinge über Eisenhüttenstadt nach Brandenburg. 2012 sollen es bis zu 3100 Neuankömmlinge werden. Viele kommen aus Krisenregionen wie Syrien, Afghanistan oder Tschetschenien. Die Erstaufnahmeeinrichtung platzt aus allen Nähten und ist marode. Wegen gesunkener Flüchtlingszahlen in den Vorjahren, war kaum investiert worden. Das soll sich ändern. Inzwischen sind bereits Wohncontainer gebaut worden. Das Land gibt 7,5 Millionen Euro für Renovierungsarbeiten. 

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