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Kommunal- und Landtagswahlen in Brandenburg: Freie Wähler stark wie nie

Beflügelt vom Erfolg ihrer Volksinitiative ziehen die Freien Wähler in Brandenburg in den Kommunal- und Landtagswahlkampf. Bei einer Zentralversammlung in Falkensee zeigt sich aber auch, wo die Schwächen der Parteilosen liegen.

Falkensee - Péter Vida braucht nicht lange für die Begrüßung. Dann feiert er vor rund 100 Mitgliedern im Falkenseer Musiksaal am Samstagmorgen bei einer Zentralversammlung "den größten politischen Erfolg der Freien Wähler Brandenburg". Der 35 Jahre alte Landtagsabgeordnete, Spitzenkandidat für die Landtagswahl und Landeschef der Freien Wähler, meint die von der Bürgervereinigung ins Leben gerufene Volksinitiative zur Abschaffung der Straßenausbaubeiträge. Er spricht von der "erfolgreichsten, schnellsten und wirkungsvollsten Volksinitiative in der Geschichte Brandenburgs". 

Erfolgreiche Initiative zu Straßenausbaubeiträgen

Das ist nicht übertrieben. Die Freien Wähler haben mit dem Thema einen Nerv getroffen, ein Thema gefunden, das Brandenburger in ländlichen Regionen genauso betrifft und belastet wie jene in den Städten. Binnen weniger Wochen sammelten die Initiatoren im vergangenen Jahr mehr als 100.000 Unterschriften. 

Vergangene Woche nun hat der Landtag in Potsdam, wenige Monate vor der Landtagswahl am 1. September, den Weg dafür frei gemacht, dass die Anwohnerbeiträge für Straßensanierungskosten rückwirkend zum 1. Januar 2019 abgeschafft werden. Die rot-roten Regierungsfraktionen hatten dieses Ansinnen mit Blick auf die Millionensummen, die damit durch Land und Kommunen kompensiert werden müssen, in der Vergangenheit abgelehnt. Nun also der Umschwung, ausgelöst durch die Volksinitiative.  

Flächendeckend mit Kandidaten vertreten 

Deren Erfolg sei es auch zu verdanken, dass die Freien Wähler nun flächendeckend in Brandenburg vertreten sind, mit nie gekannter Stärke bei den Wahlen in diesem Jahr antreten können, sagt Vida, der Kreistagsmitglied im Barnim ist. In Falkensee etwa, wo die Parteilosen am Samstag zu ihrer Zentralversammlung zusammengekommen sind, gab es bis vor Kurzem keine Ortsgruppe. Nun stellen die Freien Wähler dort eine zweistellige Zahl von Kandidaten. Insgesamt geht BVB/Freie Wähler mit 760 Kreistags- und 1000 Gemeindekandidaten in die Kommunalwahl am 26. Mai. Damit stelle der Zusammenschluss aus 140 Wählergruppen und Bürgerinitiativen die drittgrößte Kandidatenliste noch vor den Linken. "Wir sind auf Augenhöhe mit den großen Parteien, den Regierungsparteien", sagt Vida. Denn erstmals sind die Parteilosen in allen Orten Brandenburgs wählbar. Ihr Anspruch laut Vida: Die "größte organisierte Bürgervereinigung seit der Wende" wolle in alle Kreistage und Stadtverordnetenversammlungen in Fraktionsstärke einziehen.

Alternative zur AfD?

Insgesamt zehn Prozent landesweit streben die Freien Wähler bei den Kommunalwahlen an - auch um gestärkt in den Landtagswahlkampf gehen zu können, der in Zeiten, wo viele Bürger den etablierten Parteien den Rücken kehren, extrem wichtig wird. Vida spricht es nicht so direkt aus, aber ein freier Kandidat könnte für so manchen Unzufriedenen im Land eine Alternative zur AfD sein - auch wenn der jüngste Brandenburg-Trend im Auftrag des rbb das noch nicht so widerspiegelt. Das Vertrauen in die kommunalpolitische Kompetenz konzentriert sich bei den Befragten etwa gleich stark auf SPD (20 Prozent) und CDU (19 Prozent). Mit deutlichem Abstand folgen Linkspartei (acht Prozent), Grüne und AfD (jeweils vier Prozent) - und dann erst BVB/Freie Wähler mit drei Prozent. Der Slogan, den die Freien Wähler bewusst oder unbewusst für ihren Wahlkampf nutzen - "mit gesundem Menschenverstand" -, wird jedenfalls auch gerne von AfD-Politikern verwendet.

Einzug in den Landtag dank BER-Rebell

In jedem Fall hoffen die Freien Wähler, diesmal nicht nur durch Glück den Einzug ins Parlament zu schaffen. Das wird, dem Erfolg der Volksinitiative zum Trotz, nicht ganz leicht. Bei der rbb-Sonntagsfrage werden BVB/Freie Wähler gar nicht gesondert genannt, sondern nur unter "Sonstige" mit sechs Prozent aufgeführt. Die Themen, die die Mitglieder in Falkensee aufrufen - Dauerpannen am BER,  unterschiedliche Kitabeiträge im Land, Lärmbelästigung durch Windkraftanlagen - bedienen die Parteien genauso. Aber: Nicht nur bei der Kommunal-, sondern auch bei der Landtagswahl stellen die Freien Wähler flächendeckend Direktkandidaten. Und: Sie satteln auf die erfolgreiche Volksinitiative auf, wollen nach den Ausbaubeträgen auch die Erschließungskosten für Sandpisten kippen. Aber, sagt Vida: "Dafür müssen wir gestärkt in den Landtag einziehen."

Der als streitbar geltende Vida ist seit 2014 Mitglied des Landtags. Möglich war das nur, weil der BER-Rebell und frühere SPD-Politiker Christoph Schulze, der bei der Wahl vor fünf Jahren für BVB/Freie Wähler antrat, in seinem Wahlkreis in Teltow-Fläming das Direktmandat gewann - und so die Fünf-Prozent-Hürde für die Freien Wähler nicht galt und sie mit drei Abgeordneten ins Parlament einzogen. 2017 löste sich die dreiköpfige Landtagsgruppe nach einem Streit um nicht gezahlte Mitgliedsbeiträge auf, jeder kämpft für sich allein. 

Die Mutter sammelt die Spenden ein

Apropos Beiträge: Die Wahlkampffinanzierung, flächendeckendes Plakatieren, ist für den Bürgerzusammenschluss schwierig. Ihre Möglichkeiten sind nicht vergleichbar mit jenen großer Parteien. Die Freien Wähler müssen beim Geld zusammenhalten wie eine Familie. Am Eingang zum Saal in Falkensee sitzt Vidas Mutter. Bei ihr könnten Spendenzettel abgegeben werden, erklärt der Sohn. 

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