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Große Gruppen. Die Bertelsmann-Stiftung bemängelt, dass Krippenkinder oft gemeinsam mit Älteren betreut werden, was zu großen Kindergruppen führt.

© W. Grubitzsch/dpa

Kita-Studie: Bildungschance hängt vom Wohnort ab

Laut einer Studie der Bertelsmann-Stiftung ist die Kitaqualität in Brandenburg trotz Ausbau noch nicht kindgerecht. Ein Thema, das auch bei den Koalitionsverhandlungen eine Rolle spielen dürfte. 

Potsdam - Überlastete Erzieher, die Großgruppen von Kleinkindern beaufsichtigen müssen. Einrichtungen, die früher schließen, weil ihnen das Personal fehlt. Das ist immer noch Realität in Brandenburg, wie jüngst ein Fall aus Potsdam zeigte. Die Oberlin-Kita in der Landeshauptstadt verkürzte wegen Personalnot vorübergehend ihre Öffnungszeiten, verhängte einen Aufnahmestopp für weitere Kinder. Dennoch: Zumindest rein statistisch ist die Situation in den Brandenburger Kindertagesstätten nicht mehr ganz so angespannt wie in früheren Jahren. Die Personalsituation in den Einrichtungen hat sich zwischen 2008 und 2018 verbessert, wie die Bertelsmann-Stiftung in ihrem am Donnerstag veröffentlichten „Ländermonitoring Frühkindliche Bildungssysteme“ konstatiert. Aber, monieren die Bildungsforscher: Die Betreuungssituation in den Kitas sei noch immer nicht kindgerecht und stelle eine hohe Arbeitsbelastung für die Fachkräfte dar. Um eine qualitativ gute frühkindliche Bildung sicherzustellen, müssten in Brandenburg laut Bertelsmann fast 8200 Erzieher zusätzlich eingestellt werden. 

Im Krippenbereich ist die Situation besonders schlecht 

„Langfristig helfen angemessene Personalschlüssel nicht nur dabei, Bildungschancen zu verbessern, sondern auch mehr Menschen für die Arbeit im herausfordernden Kita-Alltag zu begeistern“, sagt Kathrin Bock-Famulla, Bildungsexpertin der Bertelsmann-Stiftung. Tatsächlich fällt es Brandenburger Kitaträgern mitunter schwer, Fachpersonal zu finden. „Es wird immer schwieriger, es gibt einen richtigen Wettbewerb um Erzieher“, hatte Stephanie Löbe, Leiterin einer Integrationskita in Cottbus, kürzlich in einem PNN-Interview erklärt. In Cottbus ist nach Zahlen der Bertelsmann-Stiftung der Betreuungsschlüssel im Krippenbereich besonders schlecht. Während dort eine Fachkraft rechnerisch 6,4 Kinder betreut, sind es in Teltow-Fläming und der Uckermark nur 5,2, in Potsdam 5,9. Im Durchschnitt ist in Brandenburg ein Erzieher für 5,6 ganztagsbetreute Kinder zuständig. Die Bertelsmann-Stiftung empfiehlt einen Schlüssel von eins zu drei.

Deutliche Unterschiede zwischen den Kommunen 

Besonders aber in den Kindergartengruppen ist das Qualitätsgefälle zwischen den Brandenburger Kommunen groß. So muss der Studie zufolge eine Fachkraft in Brandenburg/Havel rein rechnerisch fast vier Kindergartenkinder mehr betreuen (1:13,1) als in den Landkreisen Uckermark und Ostprignitz-Ruppin (1:9,2). Potsdam liegt bei elf Kindern pro Erzieher und damit leicht über dem Landesschnitt von 10,5. Die Studienmacher bemängeln in diesem Zusammenhang auch, dass in Brandenburg 50 Prozent der Kinder unter drei Jahren nicht in klassischen Krippengruppen betreut würden, sondern zusammen mit älteren Kindern – ergo in größeren Gruppen.

Das Bildungsministerium hebt in einer am Donnerstag verbreiteten Mitteilung zu der Studie vor allem darauf ab, dass sich Brandenburg bei der Betreuungsrelation schon deutlich verbessert habe. Zudem wird auf die gute Ausbildung der Erzieher hingewiesen. Fast 90 Prozent erreichen Fachschulniveau, bundesweit seien es 67 Prozent. Unerwähnt bleibt aber, dass – wie in den Schulen – der Fachkräftebedarf ohne Seiteneinsteiger in einigen Kitas nicht zu decken wäre. Immerhin: Erzieher haben nun zwei Stunden statt einer pro Woche zur Verfügung, um Quereinsteiger anzulernen.

Alle Parteien versprachen vor der Wahl Verbesserungen 

Die Studie dürfte auch bei den derzeit laufenden Koalitionsverhandlungen zwischen SPD, CDU und Grünen Beachtung finden. Alle drei Parteien bekennen sich in ihrem Wahlprogramm zu Verbesserungen in den Kitas. Bei der SPD hieß es, dass der Betreuungsschlüssel in den Kinderkrippen ab dem 1. August 2020 schrittweise auf einen Erzieher für vier Kinder gesenkt werden soll, im Kindergarten auf das Verhältnis eins zu neun. Das Sondierungspapier liest sich allerdings noch sehr vage. Im Zuge der Koalitionsverhandlungen werde ein Zeitplan für die Beitragsfreiheit in Kita und Hort erarbeitet, heißt es darin. „Gleichzeitig werden eine Verbesserung des Betreuungsschlüssels und anderer Qualitätsverbesserungen angestrebt“, schreiben die angehenden Kenia-Koalitionäre. Die Sondierungsparteien seien sich zudem einig, dass das Kitagesetz – das wegen unklarer Formulierungen immer wieder zu Streit um die Finanzierung führt – zeitnah novelliert werden soll.

Damit werden Forderungen aufgegriffen, die Eltern schon lange stellen. In einem Punkt hat das Land noch zum Ende der alten Legislatur für Verbesserung gesorgt: Längere Öffnungszeiten in den Einrichtungen – laut Bertelsmann verbringen 32 Prozent der Brandenburger Kinder aller Altersstufen mehr als 45 Stunden pro Woche in der Kita – sollen nun mit Hilfe von Bundesmitteln aus dem Gute-Kita-Gesetz gegenfinanziert werden.

Petition des Elternbeirates erreicht Quorum 

Die Elternvertreter, aber auch die Träger werden im Druck auf die künftige Landesregierung und den neuen Landtag nicht nachlassen. Kurz vor der Wahl startete der Landeselternbeirat für Kindertagesbetreuung eine vom Awo-Bezirksverband Potsdam unterstützte Petition, in der mehr Qualität sowie Beitragsfreiheit gefordert werden. Auf der Plattform Openpetition hat die Petition bereits knapp 11000 Unterstützer – und damit das nötige Quorum erreicht, um den Landtag zur Stellungnahme vorgelegt zu werden.

Im Landtag sitzt mit der SPD-Abgeordneten Katja Poschmann aus dem Havelland nun eine zweifache Mutter, die über ihr Engagement in einer Kita-Elterninitiative überhaupt erst zur Politik kam. Auf ihrer Homepage nennt sie Ziele für ihre Parlamentsarbeit. Kitas müssten als Bildungseinrichtungen gestärkt, die Qualität verbessert werden. „Wesentlich ist dafür die weitere Herabsetzung des Betreuungsschlüssels“, schreibt Poschmann. Zudem sollten zeitnah die gesamten Elternbeiträge für die Kinderbetreuung entfallen.

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