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Innenminister Michael Stübgen (CDU) während seiner Rede im Landtag.

© dpa

Update

Kampf gegen Antisemitismus als Staatsziel: Änderung der Landesverfassung auf den Weg gebracht

Antisemitismus versteckt hinter Israelkritik, Vorurteile, Straftaten, Verschwörungsideologien: Die jüngsten Entwicklungen machen auch der Politik in Brandenburg Sorgen. 

Potsdam - Brandenburgs Landtag hat eine Änderung der Landesverfassung und die Aufnahme der Bekämpfung des Antisemitismus als Staatsziel auf den Weg gebracht. Ein gemeinsamer Antrag der Koalitionsfraktionen von SPD, CDU und Grünen und der oppositionellen Linken wurde am Mittwoch in Potsdam von der Mehrheit des Landtags an den Hauptausschuss des Parlaments überwiesen. Mit einer Änderung der Verfassung wird gegen Ende des Jahres gerechnet. Ein eigener Gesetzentwurf der Freien Wähler wurde abgelehnt.

Innenminister Michael Stübgen (CDU) betonte in der Debatte, die Zunahme antisemitischer Straftaten dürfe nicht ohne Gegenwehr bleiben. Für den Schutz jüdischen Lebens bestehe auch eine historische Verpflichtung. Das Land könne froh sein, dass jüdische Kultur nach dem Holocaust zurück in die brandenburgische Gesellschaft gefunden habe. Die Bekämpfung des Antisemitismus zum Staatsziel zu erheben, sei eine rechtsverbindliche Verpflichtung, diesem Ziel auch nachzukommen.

Künftig soll es dem Gesetzentwurf zufolge in der Verfassung heißen: „Das Land schützt das friedliche Zusammenleben der Menschen und tritt Antisemitismus sowie der Verbreitung rassistischen und fremdenfeindlichen Gedankenguts entgegen. Das Land fördert die Stärkung jüdischen Lebens.“

Freundschaft zu Polen soll Verfassungsrang bekommen

Jüdinnen und Juden sollen sich in Brandenburg sicher sein können, dass sie willkommen sind, sagte der SPD-Fraktionsvorsitzende Erik Stohn. Antisemitismus sei auch in Brandenburg schon lange vor der Schoah tief verwurzelt gewesen und „stärker verbreitet, als es mancher wahrhaben will“, sagte der CDU-Fraktionsvorsitzende Jan Redmann. Mit der Verfassungsänderung solle nun ein starkes Zeichen dagegen gesetzt werden. Der Fraktionsvorsitzende der Freien Wähler, Péter Vida, forderte, auch die Förderung jüdischer Kultur zum Staatsziel zu machen.

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Auch das Ziel der Vertiefung der Freundschaft zum Nachbarland Polen soll Verfassungsrang bekommen. Im Artikel 2 soll es künftig wie folgt heißen: „Brandenburg ist ein freiheitliches, rechtsstaatliches, soziales, dem Frieden und der Gerechtigkeit, dem Schutz der natürlichen Umwelt und der Kultur verpflichtetes demokratisches Land, welches die Zusammenarbeit mit anderen Völkern anstrebt und hierbei die Freundschaft mit dem Nachbarn Polen stetig vertieft.“ Bisher heißt es dort unter anderem, Brandenburg strebe „die Zusammenarbeit mit anderen Völkern, insbesondere mit dem polnischen Nachbarn“, an.

Verliert die AfD das Amt des Vizepräsidenten im Landtag?

Vorgesehen ist auch, eine geschlechtergerechte Sprache einzuführen und Frauen künftig explizit als Teil der Bevölkerung zu benennen. Eine weitere Neuregelung könnte dazu führen, dass die AfD das Amt des Vizepräsidenten im Landtag verliert, weil dieses nicht mehr an die Stärke der Fraktionen gekoppelt werden soll. Künftig soll nur noch vorgegeben sein, dass auch die Opposition einen Vizepräsidenten stellt.

Für eine Verabschiedung der Änderungen sind noch eine Anhörung im Landtag und zwei weitere Lesungen des Gesetzentwurfs erforderlich. Die Verfassungsänderungen könnten voraussichtlich im November in namentlicher Abstimmung beschlossen werden. Die Stimmen der vier Fraktionen von SPD, CDU, Grünen und Linken reichen dafür aus. 

Geheimdienstkontrolle weiter ohne AfD 

Die AfD ist zudem erneut mit einem Kandidaten für das Landtagsgremium zur Kontrolle des Verfassungsschutzes gescheitert. Der Landtag lehnte den Abgeordneten Franz Josef Wiese mit großer Mehrheit als Mitglied der Parlamentarischen Kontrollkommission ab. Damit ist die AfD, die in Brandenburg seit einem Jahr wegen rechtsextremer Tendenzen vom Verfassungsschutz beobachtet wird, dort weiter nicht vertreten.

Wiese hatte vorab angekündigt, am Mittwoch nicht an der Landtagssitzung teilzunehmen. Zuvor hatte der Landtag in verschiedenen Sitzungen bereits 21 weitere der insgesamt 23 AfD-Abgeordneten als Mitglieder des Kontrollgremiums abgelehnt. Ein weiterer Wahlgang soll am Freitag folgen.

Der AfD-Fraktion steht zwar ein Sitz in der Parlamentarischen Kontrollkommission zu. Der Landtag muss jedoch Abgeordnete, zu denen kein Vertrauen besteht, nicht akzeptieren. Die Kandidaten stellen sich vor der Wahl im Hauptausschuss des Landtags vor und werden dort befragt. (epd)

Yvonne Jennerjahn

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