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Interview | Wirtschaftsminister Jörg Steinbach: "Wir haben da keine Spielräume mehr"

Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) spricht über Hartz IV für Selbstständige und seinen persönlichen Wirtschafts-Lichtblick in der derzeitigen Krise. 


Potsdam - Herr Steinbach, wie geht es nach der Absage des Bundes an die Soloselbstständigen weiter?

Wir sehen für Brandenburg bei diesem Thema keinen Spielraum mehr. Und gelegentlich entsteht bei mir auch der Eindruck, dass die Situation von dem einen oder anderen im Moment etwas dramatisiert wird. Unsere Brandenburger Richtlinie hatte sich zunächst an wegfallenden Einnahmen orientiert. Die auch für uns nun maßgebliche Bundesrichtlinie orientiert sich dagegen an den Betriebsausgaben. Es stimmt, dass ein Unternehmer für seine Mitarbeiter Kurzarbeitergeld beantragen kann, während er für seine eigenen Lebenshaltungskosten über den Schatten springen und Arbeitslosengeld II beantragen muss. Aber wir reden hier auch nicht vom klassischen Hartz IV, sondern von einer eigenen Lösung für Unternehmer und Selbstständige in der Corona-Zeit.

Halten Sie es denn für denkbar, dass das Land noch eine eigene Lösung für Soloselbstständige auf den Tisch legt?

Ich hielte das für falsch.  Was immer man macht, würde ja die Möglichkeit eröffnen, Hilfen aus mehreren Programmen parallel zu beantragen. Angesichts der hohen Zahl der bereits gestellten und bearbeiteten Anträge unter den diversen Rettungsschirmen sehe ich keine Möglichkeit, jetzt noch einmal die Programmbedingungen zu verändern. Wir haben da keine Spielräume mehr.

Was sagen Sie Menschen, die jahrelang selbständig waren, und nun Hartz IV erhalten sollen?

Mir ist es sehr bewusst, wie schwierig das ist. Das ist auch eine psychologische Frage und die ist von der Bundesregierung absolut unterschätzt worden, als sie diesen Weg definiert hat. Der Begriff Hartz IV ist mit so viel Negativem belastet, dass es für Menschen, die bislang zu Recht auch stolz auf ihre Selbstständigkeit waren, ein ganz großes Problem ist, sich nun um diese Form der staatlichen Hilfe zu bemühen. Aber hier kommen die Sonderregeln ins Spiel: Für diese von der Coronakrise betroffenen Selbstständigen wird es keine Bedürftigkeitsprüfung geben. Das heißt, sie müssen nicht zunächst ihr gesamtes Vermögen aufbrauchen, bevor sie Unterstützung erhalten. Und Mietkosten werden in voller Höhe übernommen – es wird nicht geguckt, ob eine Wohnung „angemessen“ ist. Das ist schon eine große Liquiditätshilfe, über die wir hier reden. Außerdem prüfen wir noch, ob es nicht vielleicht doch noch eine Möglichkeit gibt, dass Selbstständige auch Kurzarbeitergeld für sich selbst beantragen können.

Der Ministerpräsident sprach davon, dass eine Unterstützung von Soloselbstständigen bedeute, „Geld aus dem Fenster zu schmeißen“. Das hat viele Menschen im Land empört.

Das liegt aber vor allem an der Verkürzung des Zitats. Es ist nun einmal so: Wenn wir bei den Selbstständigen jetzt selbst in die Förderung der Kosten für den Lebensunterhalt einsteigen würden, dann bestünde die Gefahr, dass Menschen doppelt Anträge stellen.  Bei uns und bei den Jobcentern. Das System ist jetzt so geordnet, dass ein zusätzliches Programm des Landes zu viel verwaltungstechnischen Aufwand in der Abstimmung mit anderen Institutionen verursachen würde.

Große Sorgen macht sich im Land im Moment die Reise- und Tourismusbranche. Sehen Sie eine Perspektive für eine allmähliche Öffnung, wie in Mecklenburg-Vorpommern oder Schleswig-Holstein?

Mit Ausnahme der Zweitwohnsitze und der Selbstnutzung eigener Ferienwohnungen, was in Brandenburg ja schon geht, haben beide Länder ja keine konkreten Öffnungstermine genannt. Ich denke, wir können frühestens in der zweiten Maihälfte über Öffnungen in dem Bereich diskutieren. Ich habe in meiner Videokonferenz mit Branchenvertretern in diesem Bereich gesagt, dass es vermutlich noch länger dauern wird. Derzeit sind wir mit dem Bund im Gespräch über eine gesonderte, weitere Zuschusslinie für die Gastronomie. Sollte der Bund lediglich die Mehrwertsteuer auf sieben Prozent senken, würden wir vermutlich ein weiteres, eigenes Brandenburger Unterstützungsprogramm auf die Beine stellen.

Glauben Sie noch an ein Sommergeschäft im Bereich Gastronomie und Tourismus?

Das ist Kaffeesatzleserei. Selbst wenn wir in der zweiten Jahreshälfte so etwas wie Normalität bekämen, werden die Abstandsregelungen weiter eingehalten werden müssen. Selbst wenn diese Betriebe aufmachen, würden sie nach den Angaben vieler Betroffener nur auf 40 Prozent ihres normalen Tagesumsatzes kommen. Bezogen auf das ganze Jahr wären das extreme Einbußen, vielleicht nur noch 20 Prozent des Umsatzes. Für manche Unternehmen in dieser Branche wäre es möglicherweise besser, die ganze Saison ausfallen zu lassen, sich um Zuschüsse zu bemühen und in der Zeit alle nötigen Sanierungs- und Baumaßnahmen durchzuführen. Es kann sein, dass wir in eine Situation kommen, wo selbst eine Öffnung zu substantiellen Umsatzeinbußen führt.

Was müsste denn passieren, damit wenigstens die Außengastronomie geöffnet werden kann?

Auch mit meinem persönlichen Hintergrund aus der Sicherheitstechnik bin ich beim Thema Öffnungen eher vorsichtig.  Wir müssen jetzt wirklich sehr genau darauf achten, wie sich die Infektionszahlen entwickeln. Denn das Schlimmste wäre, wenn wir in einen Jojo-Effekt kommen: Wenn wir immer wieder auf und zu machen. Das würden weder die Menschen noch die Wirtschaft ertragen.

Vor der Corona-Krise waren Sie mit ganz anderen Themen beschäftigt – was macht eigentlich Tesla in diesen Tagen?

Es gibt, Gott sei Dank, auch positive Dinge, die man vermelden kann. Mittlerweile ist nun auch die Kaufsumme für das Grundstück bei uns eingegangen. Damit sind wir wieder einen kleinen Schritt vorangekommen. Wir befinden uns jetzt in der Phase, bei der es hauptsächlich um Planungen geht, die am Schreibtisch vollzogen werden. Aber durch die ständigen Telefonschalten mit den unterschiedlichen Bereichen – Infrastruktur, Energie, Wasser – kann ich sagen: Das Objekt ist definitiv gut unterwegs. Tesla ist einer der Lichtblicke im Land – und für mich.

Wann rechnen Sie damit, dass das Unternehmen alle Genehmigungen beisammen hat?

Das kann ich nicht genau vorhersagen. Ich rechne aber damit, dass die Monatszahl im Datum zu diesem Zeitpunkt eher aus zwei Ziffern bestehen wird.

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