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Vergangenen Mai demonstrierten Erzieher und Eltern vor dem Landtag für eine Ausfinanzierung längerer Betreuungszeiten in den Kitas.

© Sebastian Gabsch

Interview über Kitas in Brandenburg: „Das Ziel heißt Beitragsfreiheit"

Brandenburg erwartet 165 Millionen Euro aus dem Gute-Kita-Gesetz des Bundes. Elternvertreter Danilo Fischbach ist damit dennoch nicht zufrieden. Im PNN-Interview spricht er über Beitragsfreiheit, längere Betreuungszeiten und Mitbestimmung.

Herr Fischbach, Sie kämpfen seit Jahren für die Beitragsfreiheit in Brandenburger Kitas. Inzwischen zahlen Eltern für das letzte Kitajahr vor der Einschulung keine Beiträge mehr. Mit Mitteln aus dem Gute-Kita-Gesetz des Bundes sollen nun auch Geringverdiener komplett entlastet werden. Sind Sie damit schon zufrieden?
Nein, damit bin ich noch nicht zufrieden. Als Landeselternsprecher und Bundeselternsprecher ist es meine Aufgabe, die Ziele der Elternschaft einzufordern. Das Ziel haben Eltern für mich klar definiert: es heißt Beitragsfreiheit. Aber in Anbetracht dessen, dass diese Dinge vor ein paar Jahren im politischen Raum noch als unmöglich erachtet wurden, ist dies schon ein gemeinsamer Erfolg der Landespolitik und der Elternschaft. Deshalb würde ich mich als zufriedener betrachten als vor ein paar Jahren.

Was müsste der nächste Schritt sein?
Aus Sicht des Landeselternbeirates wäre der nächste logische Schritt, die Kitagebühren für alle Kinder von drei Jahren bis zur Einschulung abzuschaffen oder die Beitragsfreiheit ab dem zweiten Kind einzuführen. So könnte man Familien die Möglichkeit geben, sich bewusst für ein zweites, drittes oder weiteres Kind zu entscheiden, ohne dabei auf den Geldbeutel achten zu müssen. Der Königsweg wäre der Berliner Weg, wo es keine Bildungsgebühren mehr für Kinder gibt. Ich bin zuversichtlich, dass alle Parteien in ihren Programmen zur Landtagswahl sich mit diesem Thema befassen werden, immerhin sind wir Eltern rund 400 000 Wahlberechtigte. Das einzige Sorgenkind auf der Landesebene ist zurzeit die CDU. Hier wissen wir Eltern noch nicht, wie sich diese positioniert. Ich hoffe Herr Senftleben lädt uns bald zu Gesprächen, damit wir Klarheit bekommen.

Sie setzen sich auch deshalb für die Abschaffung der Elternbeiträge ein, weil diese von Kommune zu Kommune sehr unterschiedlich ausfallen. Ist der Flickenteppich immer noch so groß?
Es gibt in beide Richtungen Bewegungen, noch im letzten Monat wollte die Kommune Erkner die Kitagebühren auf über 500 Euro pro Kind erhöhen. Aber es gibt auch positive Beispiele wie Königs Wusterhausen oder Mühlenbeck, wo die Kitagebühren gesenkt wurden. Auch in Potsdam und Cottbus ist viel in Bewegung. Das Zauberwort in diesen Zusammenhang ist und bleibt Transparenz. Hier haben noch viele Träger Luft nach oben.

Eines Ihrer Anliegen ist es auch, die Mitbestimmung für Eltern zu verbessern. Mit der Kitagesetznovelle sollen nun in den Kreisen Kita-Elternbeiräte geschaffen werden. Gibt es überall genug Eltern, die in solchen Gremien mitarbeiten wollen?
Da bin ich sehr zuversichtlich. Es gibt bereits jetzt zahlreiche Landkreise, in denen sich Eltern auf den Weg gemacht haben, Kreiselternbeiräte zu gründen. Einige weiße Flecke wie die Uckermark oder Märkisch-Oderland werden nach dieser Novellierung des Kitagesetzes verschwinden.

Welches sind die Hauptthemen, bei denen Eltern mitreden wollen?
Die Qualitätsentwicklung, bedarfsgerechte Angebote, Inklusion und Fachkräftesicherung sind Themen, bei denen Eltern mitreden wollen – und zukünftig dürfen. Aber Eltern wollen auch bei den Gebühren und ihrer Berechnung angehört werden. Hier beschneidet der Gesetzentwurf unsere Rechte in einer Form, die nicht akzeptabel ist. Wir Eltern wollten in den Fachgremien auf Kreisebene das Sachgespräch suchen, um in Ruhe mit allen Beteiligten nach Lösungen zu suchen. Doch das Land hat sich von den Stellungnahmen des Städte- und Gemeindebundes sowie des Landkreistages beeindrucken lassen, die in diesem Punkt keine stärkere Elternmitwirkung gewünscht haben.

Was bedeutet das für die Eltern?
Wo kein Platz für einen vernünftigen Austausch bleibt, da beginnt meistens Protest. Eltern haben jetzt nur die Möglichkeit, auf Kreisebene juristisch und medial auf ihre Probleme aufmerksam zu machen. Derzeit ist es so, dass medial mehr über- als miteinander gesprochen wird. Ich finde diesen Weg falsch.

Mit Hilfe des Gute-Kita-Gesetzes sollen auch längere Betreuungszeiten finanziert werden, allerdings nicht flächendeckend. Halten Sie das für gerecht?
Als Elternschaft haben wir uns für diese Lösung eingesetzt, damit dort, wo Bedarf besteht, auch entsprechend geholfen wird, und keine Mittel im System verloren gehen. Das ist ein Erfolg, den wir gemeinsam mit den freien Trägern und der Landesregierung errungen haben. Auch die flexiblen Wochenkontingente, die eine passgenaue Betreuung und Bezahlung je nach Tagesbedarf ermöglichen, sind aus unserer Sicht als Erfolg zu werten. Die Vertreter der freien Träger leben mit uns auf Landesebene bereits jetzt eine Bildungspartnerschaft. Das ist auch ein Verdienst der Potsdamer Elternvertreterin Wiebke Kahl, die von Anfang an für dieses Thema gekämpft hat.

Selbst wenn zusätzlich Erzieherstellen geschaffen werden, müssten diese erst einmal besetzt werden. Unternimmt das Land aus Ihrer Sicht genug, um junge Erzieher auszubilden und dann auch in Brandenburg zu halten?
Die Frage ist: Macht die Bundesregierung in Anbetracht eines bundesweiten Erziehermangels von 200 000 bis 300 000 Erziehern genug? Ob die Gewerkschaften, die Länder, die Kommunen genug machen? Diese Fragen könnte ich alle verneinen. Als Elternschaft fordern wir eine Ausbildungsvergütung und die Abschaffung des Schulgeldes für junge Erzieher. Wie wollen wir sonst junge Menschen davon überzeugen, sich für diesen schönen Beruf zu entscheiden, wenn diese noch Geld für ihre Ausbildung mitbringen müssen?

Sie sind auch Bundeselternsprecher, haben den Vergleich zwischen den Bundesländern. Welches Land macht es aus Ihrer Sicht bei den Kitas am besten?
Diese Frage lässt sich nicht so leicht beantworten, jedes Land hat eine andere Ausgangsvoraussetzung. In vielen Bundesländern zahlen Eltern Bildungsgebühren, in anderen nicht. Einige Länder haben hervorragende Betreuungschlüssel, aber es mangelt an Plätzen. Brandenburg ist ganz weit vorne, was Betreuungsquoten angeht, darum beneiden uns viele. Aber was die Bildungsgebühren angeht, sind wir eines der Bundesländer, wo die Eltern am unzufriedensten sind. Auch bei den Betreuungsschlüsseln befinden wir uns in der hinteren Gruppe – obwohl Brandenburg in den vergangenen Jahren von allen ostdeutschen Ländern am meisten auf diesem Gebiet getan hat. Eines eint die Elternvertreter aller Länder: die Unzufriedenheit gegenüber der Bundesregierung. Diese blieb deutlich hinter den Erwartungen zurück, was Höhe und Verstetigung der Mittel angeht. Da helfen auch hübsche Namen für Gesetze wie Gute-Kita-Gesetz nicht.

Die Fragen stellte Marion Kaufmann

Danilo Fischbach und seine Frau Christin mit Amelie.
Danilo Fischbach und seine Frau Christin mit Amelie.

© privat

Zur PERSON: Danilo Fischbach, 35, ist Landeselternsprecher für Kinderbetreuung in Brandenburg und Bundeselternsprecher für Kinder in Kindertagespflege und Kindertageseinrichtungen.

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