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Major Marico Klingler sorgt als Kommandantin des Truppenübungsplatzes Lehnin für die Logistik.

© dpa

Großmanöver „Defender Europe 2020“: Tank und Rast mit Tarnanzug

Während der Militär-Großübung „Defender Europe 2020“ rollen Transporte durch Brandenburg. Der Truppenübungsplatz Lehnin spielt dabei ein wichtige Rolle.

Brück/Lehnin - In einer früher für Ballsport genutzten Halle stehen Doppelstockbetten bereit, 350 insgesamt, in mehreren Räumen, Männer und Frauen getrennt. Eine provisorische Heizanlage pustet warme Luft in den Schlafsaal. Draußen führt ein befestigter Weg zu den Sanitärcontainern. Davor ein Holzhäuschen für die Raucher, ein Campingkocher. Mehr Luxus gibt es nicht bei dieser Übung. Hier, auf dem Gelände des Truppenübungsplatzes Lehnin (Potsdam-Mittelmark), werden ab kommende Woche immer wieder hunderte Soldaten aus verschiedensten Nationen eine Nacht verbringen.

Etwas weiter entfernt auf dem Gelände stehen zwei Tankfahrzeuge der britischen Armee, bereit, die Konvois, die hier auf ihrem Weg Richtung Osteuropa Station machen werden, aufzutanken. „Ein militärisches Tank und Rast“, nennt Major Marico Klingler das. Die 36-Jährige ist die Kommandantin des Brandenburgischen Truppenübungsplatzes, der während der Nato-Großübung „Defender Europe 2020“ zu einem wichtigen Zwischenstopp für die Truppen auf dem Weg nach Osten sein wird.

20.000 US-Soldaten nach Europa verlegt

Insgesamt 37.000 Soldaten aus 18 Nationen sind an der größten Übung der westlichen Streitkräfte und ihrer Partner seit 25 Jahren beteiligt, darunter 20.000 amerikanische Soldaten, die aus den USA nach Europa verlegt werden. „Eine große logistische Herausforderung“, nennt Oberst Olaf Detlefsen, Kommandeur des Landeskommandos Brandenburg, das, was da in den kommenden Wochen und Monaten auf Brandenburg zurollt.

Die Bundeswehr unterstützt die US-Truppenverlegung mit bis zu 1500 Soldaten und beteiligt sich mit bis zu 4000 Soldaten an den eigentlichen Manövern, die bis Juni dauern. Das Fernmeldebataillon Prenzlau richtet einen mobilen Gefechtsstand ein. Zwar finden in Brandenburg selbst keine Schießübungen statt, aber aufgrund seiner geografischen Lage ist Deutschland zentrale Drehscheibe des Manövers – und die Mark ein wichtiger Knotenpunkt innerhalb der Drehscheibe auf dem Weg nach Osten. Auf drei Routen werden die insgesamt etwa 33 000 Fahrzeuge, Anhänger und Container bewegt, eine davon führt durch Brandenburg.

Kolonnen rollen vor allem nachts

Für die Bevölkerung soll die Truppenverlegung möglichst ohne Belästigung vonstatten gehen, sagt Oberst Detlefsen. Die Kolonnen von maximal 20 Fahrzeugen rollen vor allem nachts zwischen 22 und 6 Uhr, um Verkehrs- und Lärmbelästigungen in Grenzen zu halten. „Wir werden oft gefragt: Müssen wir damit rechnen, dass Panzer durch Potsdam rollen und das Kopfsteinpflaster kaputtfahren?“, so Detlefsen, „aber das ist nicht der Fall.“ Die Transporter fahren bevorzugt auf Autobahnen und zwar, was die Brandenburger Route angeht, von Lehnin über Berlin Richtung Frankfurt (Oder) oder Oberlausitz. Kettenfahrzeuge werden nicht über die Straßen bewegt, sondern per Zug zu den Übungsplätzen im Osten gebracht.

Oberst Olaf Detlefsen (l.), Kommandeur des Landeskommandos Brandenburg, im Gespräch mit britischen Soldaten.
Oberst Olaf Detlefsen (l.), Kommandeur des Landeskommandos Brandenburg, im Gespräch mit britischen Soldaten.

© dpa

Ein sensibles Thema in Brandenburg, denn bei Manövern und Truppenverlegungen der Bundeswehr sind seit 2014 im Land laut einem Kostenvoranschlag Schäden von mehr als 560 000 Euro entstanden. Das hatte das Verkehrsministerium jüngst auf eine Anfrage der Linksfraktion mitgeteilt. Bei den Truppenverlegungen im Rahmen eines Manövers hatten im November 2014 rund 40 Panzer Straßenschäden unter anderem in den Landkreisen Potsdam-Mittelmark, Havelland und Spree-Neiße verursacht. Im Juni 2015 fuhren rund 180 Bundeswehr-Fahrzeuge, darunter Schützenpanzer, durch das Havelland für eine Militärübung in die Colbitz-Letzlinger Heide in Sachsen-Anhalt.

Brandenburgs Linke ruft nach einem Parteitagsbeschluss vom vergangenen Wochenende aber aus anderen Gründen zum Protest gegen die Truppenverlegung auf. „Aus unserer Sicht ist dieses Manöver, ausgerechnet um den 75. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus, eine gezielte Provokation und dient alleine der Vorbereitung eines Krieges mit Russland“, heißt es in dem Protestaufruf. Der Aufbau einer militärischen Drohkulisse an Russlands Grenzen sei kein Beitrag zur Friedenssicherung, sondern ein Spiel mit dem Feuer. Deswegen rufe die Linke dazu auf, sich „Defender 2020“ mit „vielfältigen und kreativen Aktionen“ entgegenzustellen, „wenn nötig auch mit zivilem Ungehorsam“.

Proteste sollen umfahren werden

Oberst Olaf Detlefsen sieht den angekündigten Protesten gelassen entgegen. „Das halten wir aus“, sagt er. Es sei klar, dass nicht alle diese Übung gut hießen. Proteste werde man nicht gewaltsam beenden, sondern Umfahrungen nutzen. Das Innenministerium und die Polizei seien eng in die Absicherung der Truppenverlegungen eingebunden. Für Sicherheitsvorkehrungen ist die Landespolizei auf der Straße zuständig, Feldjäger begleiten die Transporte. Und quasi als Entschädigung für die Bevölkerung, die vielleicht doch einmal nachts aus dem Schlaf gerissen wird, wenn 20 Lkw am Schlafzimmerfenster vorbeifahren, wird am 10. März in den Potsdamer Nikolaisaal zum kostenlosen „Defender-Rock“ mit der United States Army Europe Rock Band eingeladen (siehe unten).

Proteste also fürchtet Detlefsen nicht. Und noch etwas anderes bereitet dem Chef des Landeskommando Brandenburg bislang wenig Kopfzerbrechen: das Coronavirus. „Wir beobachten genau, was auf europäischer Ebene entschieden wird“, sagt er, etwa was mögliche Absperrungen oder Grenzkontrollen angehe. Aktuell gebe es aber keinerlei Grund zur Sorge, dass die Übung durch den Ausbruch des Virus in Europa verzögert oder behindert werden könnte. Und falls tatsächlich ein Corona-Fall in der Truppe auftreten sollte, sei man vorbereitet, versichert Major Klingler. Die Kontakte mit den zivilen Stellen, die im Ernstfall informiert werden müssten, bestünden. Das gelte auch für einen möglichen Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest, die in Polen, nahe der Grenze zu Brandenburg, schon mehrfach nachgewiesen wurde.

In einer ehemaligen Turnhalle der Fläming-Kaserne werden die Soldaten auf ihrer Durchfahrt nach Osten untergebracht.
In einer ehemaligen Turnhalle der Fläming-Kaserne werden die Soldaten auf ihrer Durchfahrt nach Osten untergebracht.

© dpa

Den Begriff Majorin gibt es nicht

Schweinepest, Coronavirus – Major Marico Klingler, die auf gar keinen Fall Majorin genannt werden will, weil es den Begriff bei der Bundeswehr gar nicht gebe – hat diese Feinde im Blick. Mehr aber noch die Vorbereitungen rund um die nächtliche Truppenversorgung, die demnächst auf den Standort zukommen. Wann genau lässt sich nicht sagen, irgendwann in der kommenden Woche rechnet sie mit dem Eintreffen der ersten Konvois. Maximal drei pro Tag, also 60 Fahrzeuge, werden in Lehnin erwartet. Unterstützung bei den Vorbereitungen hat die Kommandantin des Truppenübungsplatzes schon jetzt. Die Betankung der Fahrzeuge organisieren britische Soldaten, für die Kurzzeitunterbringung der Fahrer sorgen Mitglieder der US-Army. Marico Klingler ist für die kommenden Wochen also so etwas wie die Leiterin einer Autobahnraststätte. Eine, die die Großübung gelassen sieht. „Die fahren hier rein, tanken, schlafen – und dann bin ich die auch schon wieder los“, sagt sie.

Defender-Rock im Potsdamer Nikolaisaal

Bei einem kostenlosen Konzert der United States Army Europe Rock Band will die Bundeswehr gemeinsam mit der Stadt Potsdam über die Übung „Defender Europe 2020“ informieren und den Kontakt mit den Brandenburgern suchen. Am 10. März um 18 Uhr stehen die Musiker der United States-Army Europe Rock Band im Potsdamer Nikolaisaal, Wilhelm-Staab-Straße 10-11, auf der Bühne. „Jährlich begeistern sie Tausende Besucher bei ihren Konzerten mit ihrer Mischung aus Rock und Pop, aus aktuellen Hits und Klassikern“, heißt es auf der Seite des Nikolaisaals.

Kartenbestellung sind bis 4. März mit Angabe von Name, Vorname und Adresse ausschließlich unter der Adresse defender-rock@bundeswehr.org möglich. Die personalisierten Eintrittskarten werden dann an die angegebene Adresse versandt. Die Plätze sind begrenzt

+++ Richtiges Verhalten bei einem Konvoi +++

Beim Überholen der Militärkolonnen müssen Verkehrsteilnehmer einiges beachten. Die aus maximal 20 Fahrzeugen bestehen Kolonnen gelten verkehrsrechtlich als ein Fahrzeug. Ein geschlossener Verband darf also komplett bei Rot über die Ampel verfahren, wenn das erste Fahrzeug diese noch bei Grün geschafft hat. Auch im Kreisverkehr, an Zebrastreifen und Kreuzungen oder beim Reißverschlussverfahren an Baustellen darf die Kolonne zusammenbleiben.

Zu erkennen sind die Konvois an den blauen Flaggen auf der Fahrerseite der Lkw. Das letzte Fahrzeug trägt eine grüne Flagge und kann zusätzlich mit gelbem Blinklicht oder einer Warntafel ausgestattet sein. Blaulicht auf den Fahrzeugen darf angeschaltet sein.

Überholt werden darf eine Kolonne nur „in einem Rutsch“ ohne sie durch Einscheren zu trennen. Das heißt, überholen ist fast nur auf Autobahnen oder Schnellstraßen möglich. Strenggenommen dürfen sich Autofahrer auch nicht an Ein- oder Ausfahrten in eine Kolonne quetschen, wie die Bundeswehr mitteilt. „Bei einem Abstand von 100 Metern zwischen den einzelnen Fahrzeugen kann man aber auch zügig auf die Autobahn auffahren und bei nächster Gelegenheit die Kolonne wieder verlassen“, heißt es in einer Informationsbroschüre der Bundeswehr zu „Defender“.

Platz machen muss man einer Kolonne nur, wenn es sich um Rettungsfahrzeuge handelt, die mit Blaulicht und Martinshorn unterwegs sind. „In diesem Fall ist idealerweise schon eine Rettungsgasse frei“, so die Bundeswehr in ihrem Informationsblatt.

Bei den Fahrzeugen, die auch auf Brandenburgs Straßen, überwiegend Autobahnen, unterwegs sein werden, handelt es sich ausschließlich um Transportfahrzeuge, also Lkw. Panzer werden nicht auf den Straßen unterwegs sein. Sie werden per Zug zu den jeweiligen Übungsplätzen gebracht. 

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