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Brandenburg: „Grob fahrlässig“

Der Nachhaltigkeitsbeirat der Landesregierung findet harte Worte für den genehmigten neuen Braunkohletagebau. Zudem gibt es Hinweise auf Verkaufsabsichten Vattenfalls

Potsdam - Experten und namhafte Wissenschaftler haben den Beschluss der rot-roten Landesregierung für den neuen Tagebau Welzow-Süd II scharf kritisiert. Die Mitglieder des Nachhaltigkeitsbeirats der Landesregierung bezeichnen in einer gemeinsamen Erklärung den vor einer Woche vom rot-roten Kabinett durchgesetzten Braunkohleplan angesichts der Risiken als „grob fahrlässig“, „wirtschaftlich unsinnig sowie energie- und klimapolitisch fatal“.

Mit dem Beschluss sollen aus dem neuen Tagebau Welzow Süd II ab 2027 rund 200 Millionen Tonnen Braunkohle gefördert werden. Damit würden „die Weichen für eine Braunkohlenutzung mindestens bis 2067“ gestellt, kritisiert der Beirat. Die Entwicklung im Bereich der erneuerbaren Energien und „des bereits rasant Fahrt aufnehmenden Klimawandels lassen eine Nutzung der Braunkohle über die Jahrhundertmitte hinaus aus nachhaltiger Sicht nicht zu“, heißt es in der Erklärung. Neue Braunkohletagebaue behinderten den notwendigen Strukturwandel in der Energieversorgung, zementierten die einseitige Abhängigkeit der Lausitz von der Braunkohle und die überkommene, nicht zukunftsfähige Strukturen auf Jahrzehnte und verhinderten den Aufbau innovativer wirtschaftlicher Strukturen in der Region. Langfristige Sicherheit für die Wirtschaft und für Arbeitsplätze bedeute dies aber nicht.

Vielmehr schlagen die Forscher einen schrittweisen Ausstieg aus der Braunkohleverstromung bis 2040 vor und fordern eine aktive regionale Strukturpolitik, um die Entwicklung zukunftsfähiger Branchen für neue Arbeitsplätze in der Region voranzubringen.

Die Forscher kritisieren auch, dass die Landesregierung mit dem Braunkohleplan ihren eigenen Strategien und Konzepten zuwiderhandelt. Selbst die in der Energiestrategie 2030 schon im Vergleich zur Vorgängerstrategie herabgesetzten Klimaschutzziele des Landes seien mit dem neuen Tagebau nicht mehr zu halten.

Der Beirat fühlt sich überdies von der Landesregierung brüskiert, weil das Kabinett erst fünf Wochen zuvor den Nachhaltigkeitsbericht beschlossen hatte. Darin wird klar und mit Hinweis auf den Klimaschutz vor neuen Tagebauen gewarnt. Vorsitzender des Beirats ist Manfred Stock vom Potsdam-Institut für Klimafolgeforschung (PIK), auch die anderen zwölf Mitglieder sind renommierte Wissenschaftler.

Indes fühlen sich Braunkohle-Gegner und Kritiker der Tagebaupläne der Landesregierung durch den Rechnungshof in Schweden bestätigt. Der will sich nun den Staatskonzern Vattenfall für eine Prüfung vornehmen. Die Kohlegegner hatten vor der Kabinettsentscheidung gewarnt, mit dem grünen Licht der Landesregierung werde die Lausitzer Braunkohlesparte nur attraktiv für den Verkauf gemacht.

Der schwedische Rechnungshof prüft, inwiefern Vattenfall die selbst gesteckten Nachhaltigkeitsziele erfüllt und welche Voraussetzungen für eine zukünftige Erfüllung der Nachhaltigkeitsziele nötig sind. In schwedischen Medien wurde aus der Nachhaltigkeitsstrategie des Konzerns Folgendes zitiert: „Es geht um die Senkung des CO2-Ausstoßes, der bis 2020 auf 65 Millionen Tonnen pro Jahr, von 88,3 Millionen Tonnen im vergangenen Jahr, gesenkt werden soll.“ Die solle aber in erster Linie durch „Veräußerungen ganzer Anlagen oder Teilen von Anlagen erfolgen“.

Die brandenburgische Bundestagsabgeordnete Annalena Baerbock (Grüne) sagte den PNN: „Nun wird immer offensichtlicher, welche Interessen Vattenfall in Brandenburg eigentlich verfolgt: mit Welzow-Süd II den Wert des Unternehmens vor dem Verkauf zu steigern.“ Die Landesregierung dürfe dies nicht ignorieren. „Es braucht einen Ausstiegsplan aus der Kohle und ein Konzept für die Lausitz, statt Enteignung und Zwangsumsiedlung.“

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