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Brandenburg: Ermittlungen nach Neonazi-Fackelmarsch

Hennigsdorfer Stadtverwaltung räumt Panne ein. Fotos von Gedenkfeier im Internet aufgetaucht

Hennigsdorf - Im Fall des von den Behörden unbemerkten Neonazi-Fackelmarsches für den im Oktober verstorbenen Nazi-Kriegsverbrecher Erich Priebke am Volkstrauertag in Hennigsdorf (Oberhavel) ermittelt die Neuruppiner Staatsanwaltschaft wegen Volksverhetzung gegen mehrere namentlich bekannte Personen. Zusätzlich werde geprüft, ob Ermittlungen wegen Verstoßes gegen das Versammlungsrecht in Betracht zu ziehen sind, sagte Oberstaatsanwältin Lolita Lodenkämper.

Das allerdings ist nach PNN-Informationen eher unwahrscheinlich. Grund ist eine Panne im Hennigsdorfer Rathaus. Der polizeibekannte Rechtsextremist Marvin Koch aus Neuruppin (Ostprignitz-Ruppin) hatte die Demonstration unter dem Motto „In tiefer Erinnerung an die gefallenen Helden“ am Freitag voriger Woche per E-Mail bei der Stadtverwaltung angemeldet – um 11.42 Uhr. Koch, ein führender Kader der „Freien Kräfte Neuruppin/Osthavelland“ und häufig Anmelder von NPD-Veranstaltungen, konnte eigentlich nicht wissen, dass am Freitagvormittag dort niemand mehr die E-Mail öffnen würde. Die Sprecherin der Hennigsdorfer Stadtverwaltung, Ilona Möser, sieht darin aber kein Problem und hakt das Ganze unter „dumm gelaufen“ ab. Sie sieht auch keinen Änderungsbedarf bei den Arbeitsabläufen in der Verwaltung. Die E-Mail sei am Montagmorgen geöffnet worden. Man habe sie dann an die Polizei weitergeleitet.

Bei der Staatsanwaltschaft Neuruppin sieht man das anders. Am Montag war die Polizei nur darüber informiert worden, dass am Hennigsdorfer Waldfriedhof ein gerahmtes Bild von Erich Priebke nebst Blumengebinde entdeckt worden ist. Die E-Mail mit der Demonstrationsanmeldung war erst am Dienstagnachmittag an die Polizei weitergeleitet worden – also fünf Tage nach dem Eingang im Rathaus und zwei Tage nach dem Neonazi-Aufmarsch. Offiziell wollen Justiz, Polizei und Landesregierung die Vorgänge im Hennigsdorfer Rathaus nicht kommentieren, hinter den Kulissen herrscht jedoch Entsetzen. Zumal es nicht der erste Patzer ist. Im April hatte Bürgermeister Andreas Schulz (SPD) keinen Grund gesehen, gegen eine NPD-Demonstration das Wort zu erheben, auch die Stadtverordneten und Bündnisse gegen Rechts informierte er nicht. Der braune Spuk blieb ohne Gegenprotest.

Unterdessen sind Fotos von der Neonaziveranstaltung am vergangenen Volkstrauertag im Geburtsort Priebkes im Internet aufgetaucht. Die Erklärung der Initiatoren, dass etwa 65 Personen „des kürzlich verstorbenen SS-Hauptsturmführers Erich Priebke“ gedacht haben, kann durch die Bilder nicht belegt werden. Die Polizei geht nach Zeugenbefragungen von bis zu 25 Teilnehmern aus, andere Quellen von 50. Die Neonazis hatten ihre Gedenkfeier für Priebke am vergangenen Sonntag am Hennigsdorfer Waldfriedhof abgehalten. Anschließend waren sie in Zweierreihen unbeachtet von der Bevölkerung mit Fackeln quer durch die Stadt zum S-Bahnhof marschiert und hatten dort die Veranstaltung aufgelöst. Anwohner hegten offenbar keinen Argwohn, niemand alarmierte die Polizei wegen des braunen Aufzugs im Fackelschein.

Gegen wen nun genau ermittelt wird, wollte die Staatsanwaltschaft nicht sagen. Neben den Bezügen in die Region Oberhavel gibt es Hinweise auf die „Freien Kräfte Königs Wusterhausen“ (Dahme-Spreewald) und das Berliner Neonazi-Netzwerk NW Berlin („Nationaler Widerstand“) sowie die JN, den Nachwuchs der NPD. Auf der Internetseite, auf der Fotos von dem Hennigsdorfer Fackelmarsch aufgetaucht sind, wird auch zu Protesten gegen das Flüchtlingsheim in Bestensee/Pätz (Dahme Spreewald) aufgerufen.

Bereits im vergangenen Jahr hatte es in Hennigsdorf einen Aufmarsch von 30 bis 50 Neonazis aus Berlin und Oberhavel am Geburtstag Priebkes im Juli gegeben. Anwohner hatten damals aber – im Gegensatz zu vergangenem Sonntag – die Polizei alarmiert. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Neuruppin wegen des Verdachts der Verwendung von Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen, Volksverhetzung und Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz verliefen im Sande. Die ausgesetzte Belohnung in Höhe von 1000 Euro für Hinweise zu den Drahtziehern des Aufmarsches blieb ohne Erfolg. Auch hinter dem damaligen Fackelmarsch soll maßgeblich NW Berlin stecken. Auf dessen Internetseite waren damals Fotos und Text zu dem Aufmarsch veröffentlicht worden.

Hennigsdorf ist die Geburtsstadt des NS-Kriegsverbrechers Priebke, der wegen eines 1944 in Italien verübten Massakers verurteilt worden war und im Oktober verstorben ist. Er war kürzlich in Italien aus Sorge vor einem neuen Wallfahrtsort für Neonazis an geheimer Stelle beigesetzt worden.

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