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Abgestürzte Hoffnungen. Die Berliner Modedesignerin Evelin Brandt will, dass die Flughafengesellschaft endlich Verantwortung für die Verschiebung übernimmt.

© Mike Wolff

Brandenburg: Ein Stoff, der wütend macht

Bald wird erstmals die Klage einer BER-Mieterin vor Gericht verhandelt. Wie alle anderen erhielt sie keinerlei Entschädigung

Von Sandra Dassler

Berlin - Im Mai nächsten Jahres wird Evelin Brandt vor dem Landgericht Cottbus um ihr Recht kämpfen – möglicherweise nicht nur um ihr eigenes. Denn zum ersten Mal werden Richter – abgesehen vom Urteil zu Air Berlin – die Klage einer Firma behandeln, die zu diesem Zeitpunkt seit fast fünf Jahren am Flughafen BER tätig sein wollte.

Als sie kürzlich erfuhren, dass wahrscheinlich erst im nächsten Jahr ein neuer Eröffnungstermin verkündet wird, haben viele dieser verhinderten BER-Unternehmer nur mit den Schultern gezuckt. „Wer soll sich darüber noch wundern?“, fragt Evelin Brandt. Die Berliner Modedesignerin hat lange gezögert, bevor sie die Klage einreichte. „Fehler kann jeder mal machen“, sagt sie: „Es kommt aber darauf an, wie man danach damit umgeht: ob man Verantwortung übernimmt, versucht, den Schaden möglichst klein zu halten. Nichts davon haben die Herren von der Flughafengesellschaft auch nur ansatzweise getan.“

Evelin Brandt wollte im neuen Großflughafen einen Laden auf knapp 70 Quadratmetern Verkaufsfläche eröffnen. Sie hatte ihn eingerichtet, Personal gesucht, Waren produziert. Durch die kurzfristige Absage der Flughafeneröffnung seien ihr etwa 400 000 Euro Schaden entstanden. „Wir haben lange gebraucht, um da wieder rauszukommen“, sagt sie. Erst als ihr klar wurde, dass man ihr entgegen aller Versprechungen auch der Politiker keinerlei Angebot zur Kompensation des Schadens unterbreiten würde, hat sich Evelin Brandt zur Klage entschlossen.

Wie viele Menschen durch das BER-Desaster geschädigt wurden, wird wohl nie ganz erfasst werden. Für Hunderte Arbeitnehmer, die schon Verträge für ihre Stellen am neuen Flughafen hatten, war das Kapitel bereits mit dem geplatzten Eröffnungstermin am 3. Juni 2012 beendet. Viele von ihnen hatten andere Stellen gekündigt oder waren – wie die Brasilianerin Maria Weber oder Pia Werner aus Schwedt – sogar extra umgezogen.

Von etwa 70 Händlern und Gastronomen, die am BER Flächen angemietet hatten, wurde keiner wirklich entschädigt. Etwa 20, zumeist jene, die ihre Geschichte öffentlich gemacht hatten, erhielten ein, zwei Jahre später wenigstens Ausgleichsflächen am Flughafen Tegel.

Zu ihnen gehört Beatrice Posch, die Inhaberin des Spielzeugladens „Die kleine Gesellschaft“. Das „Kompensations-Geschäft“ in der Mainhall auf dem Boulevard Tegel ist immer gut besucht, sagt Inga Röhlicke, eine der Verkäuferinnen. Sie war von Beatrice Posch für den BER eingestellt worden und musste zunächst wegen der Absage entlassen werden. Nun verkauft sie Spielzeug, Schreibwaren und Souvenirs, berät Eltern, die nach der Dienstreise noch ein Mitbringsel oder für die lange Urlaubsreise eine Beschäftigung für ihre Kinder suchen.

Evelin Brandt hat nie eine Fläche in Tegel angeboten bekommen. Sollte der BER eröffnet werden, steht sie wie andere vor neuen Problemen. Denn vieles muss nach der langen Zeit neu eingerichtet werden. „Ich weiß jetzt schon nicht mehr, wie das mit der Beleuchtung war“, sagt sie. „Meinen Architekten gibt es auch nicht mehr – das wird dann kein verspäteter, sondern ein völlig neuer Start.“

Ihr Anwalt Oliver Klein aus Karlsruhe sieht darin auch ein Problem für jene, die in Tegel eine Kompensation erhielten. „Nach meinen Informationen mussten sie im Gegenzug unterschreiben, dass sie auf alle Schadensansprüche im Zusammenhang mit der verspäteten Flughafen-Eröffnung verzichten“, sagt er.

Was den Ausgang der Klagen am für den Großflughafen zuständigen Landgericht in Cottbus angeht, ist Klein optimistisch. Eine zweite Klage sei bereits angenommen, eventuell folgen noch mehr. So hat ihn das Spandauer Busunternehmen Haru-Reisen ermächtigt, auf eigenes Risiko eine Klage einzureichen, wenn er Erfolgschancen sieht, sagt der geschäftsführende Gesellschafter Hans-Jörg Schulze. Haru-Reisen wollte eine Schnellbuslinie vom Steglitzer Kreisel zum BER eröffnen und hat mehr als eine Viertelmillion Euro verloren. Unter anderem, weil die extra angeschafften Spezialbusse mit Verlusten wieder verkauft werden mussten.

Auch Bruno Pellegrini, der am S-Bahnhof Westend das Restaurant „Ana e Bruno“ betreibt, hat alle technischen Geräte, die er für sein am BER geplantes Bistro angeschafft hatte, längst wieder verkauft. „Sie hatten nur ein Jahr Garantie“, sagt er: „Die war schon abgelaufen, als ich zum Ausgleich mein Bistro in Tegel bekam.“

Die diesjährigen Herbstferien verbringt Pellegrini mit seinen drei Kindern in der Heimat. Am vergangenen Freitag flogen sie nach Mailand – nicht von Tegel, sondern von Schönefeld aus. „Da hab ich gleich mal etwas positive Energie rüber zum BER geschickt“, sagt er: „Vielleicht wird der ja nun doch noch einmal fertig.“ Sandra Dassler

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