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Dramatischer Fall aus Brandenburg: Feuer im Funkloch und kein Notruf möglich

Ein Hausbrand – aber kein Handyempfang. Im Norden Brandenburgs brannte Mitte Dezember ein Forsthaus. Hilfe holen war nicht möglich.

Fürstenberg/Havel - Er wollte nach langer Zeit Feuer im Kamin machen, doch dann stand das alte preußische Forsthaus Schönhorn voll Rauch. Der Schornstein brannte, der 53-Jährige Förster in Steinförde, einem Ortsteil von Fürstenberg/Havel (Oberhavel) in Nordbrandenburg, versuchte selbst zu löschen. Der Griff zum Handy, um die Feuerwehr zu rufen, brachte nichts: An der Landeswaldrevierförsterei gibt es keinen Empfang. Der Förster musste sich ins Auto schleppen und zwei Kilometer über einen Waldweg bis zur nächsten befestigten Straße fahren, um 112 zu wählen. Ein Rettungshubschrauber brachte ihn später in einer Berliner Klinik – wegen Rauchgasvergiftung.

Feuerwehrleute ohne Handyempfang

So berichtete es Fürstenbergs Bürgermeister Robert Philipp (parteilos) der „Gransee-Zeitung“. Auch Stadtbrandmeister Dirk Stolpe erzählt: „Alle, die vor Ort waren, hatten keinen Handyempfang.“ Mehr als 60 Feuerwehrleute waren es und nicht alle haben denselben Handyanbieter. Gerd Rademacher, Funkexperte und Feuerwehrmann in Eisenhüttenstadt, ist verwundert. Bei den Notrufen 110 oder 112 würden Handys automatisch auf andere Netze umspringen. „Absolute Nullflächen ohne Empfang sind sehr selten“, sagt er. Und doch gibt es sie in den Weiten der Mark. Brandenburg ist für seine Funklöcher berüchtigt. Was Berliner Ausflüglern als Gelegenheit zur „digitalen Entgiftung“ willkommen ist, kann fatale Folgen haben.

Zunächst hatte die oppositionelle CDU-Fraktion das Thema 2017 mit einem Funklochmelder wieder auf die Agenda gehoben. Auch die Koalition will das Problem nun anpacken. Im November beschloss der Landtag einmütig, bei der ab Frühjahr vom Bund geplanten Versteigerung der Lizenzen für den Highspeedstandard 5G müsse die flächendeckende Versorgung mit 4G-Mobilfunk Pflicht sein. „Das traurige Beispiel von Fürstenberg zeigt, dass Funklöcher kein Luxusproblem sind, sondern zur ernsthaften Bedrohung für Leib und Leben werden können“, sagt CDU-Fraktionschef Ingo Senftleben. Flächendeckender Handyempfang sei ein Muss. „Wir brauchen deshalb ein Umdenken: Die Landesregierung muss endlich Geld in die Hand nehmen und Funkmasten bauen und die Betreiber müssen den Weg für nationales Roaming freimachen.“

Letzteres fordert die Netzaktivistin Anke Domscheit-Berg. Die Digital-Expertin der Linksfraktion im Bundestag wohnt in Fürstenberg und sagt: „Es ist unfassbar, dass Funklöcher zu solchen Tragödien führen.“ Auf ihrer Sommertour z hätten ihr Menschen in der Lausitz von der Angst erzählt, gegen ein Wildschein zu fahren und auf der Straße mit dem Auto liegen zu bleiben – aber niemanden übers Handy zu erreichen. Bislang sei bei den 5G-Lizenzen vorgesehen, dass die Anbieter jedes Bundesland zu 98 Prozent mit 4G abdecken und in 500 Funklöchern Masten aufstellen. Doch das reiche nicht. Wenn ein Anbieter einen Mast aufstelle, hätten Nutzer anderer Anbieter das Nachsehen. Die könnten durch nationales Roaming ein anderes Netz nutzen – bislang sei das aber nicht geplant.

Netzanbieter müssen bessere Netzabdeckung bieten

Oberhavel-Landrat Ludger Weskamp (SPD) sagt: Für den Landkreis seien die vielen Funklöcher in einem so wirtschaftsstarken Land inakzeptabel. „Wenn dadurch – wie im Fall des Forsthauses Steinförde – sogar Menschenleben bedroht sind, ist es untragbar.“ Der Bund müsse die Netzanbieter viel stärker zu einer besseren Netzabdeckung bewegen. Leider habe Dorothee Bär, Staatsministerin für Digitalisierung, in den vergangenen Woche mehrere Termine abgesagt.

Wie häufig es zu solchen Notfällen kommt, weiß Ingo Decker, Sprecher des Innenministeriums in Potsdam, nicht. Er erinnerte an den großen Waldbrand im August bei Treuenbrietzen: Unzählige Einsatzkräfte standen im Funkloch, die Telekom musste einen mobilen Mast aufstellen, auch für den Digitalfunk der Feuerwehr. „Egal wie viele Menschen dort leben: Dass es dort keinen Mobilfunk gibt, ist ein Versagen, dass im Jahr 2018 niemand mehr erklären kann.“ In den meisten Ländern Europas seien solche Zustände undenkbar.

Die Polizei stellte übrigens als Brandursache im Forsthaus „Baumängel am Schornstein und an der Feuerungsstätte“ fest. Die Landforst prüft, ob das Haus noch zu retten ist.

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