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Fertig aufgezogene Spritzen liegen in der Metropolishalle des Filmparks Babelsberg.

© Soeren Stache/dpa

Coronakrise: Das Brandenburger Impf-Debakel

Brandenburg kommt beim Impfen gegen das Coronavirus nicht hinterher. Woran es liegt und wie die Abläufe verbessert werden sollen. Eine Analyse.

Potsdam - Von einem Marathon ist in diesen Tagen viel die Rede. Einem Impf-Marathon. Denn es wird Monate dauern, bis große Teile der Bevölkerung gegen das Coronavirus durchgeimpft sind. Und in Brandenburg kommen die Impfungen nicht richtig in Gang: Am Mittwoch meldete das Land lediglich 5.404 durchgeführte Impfungen, seit dem 31. Dezember stehen aber Impfdosen für 19.500 Brandenburger bereit. Dazu kommt: Die meisten Impfungen wurden in den Krankenhäusern des Landes durchgeführt – und das wohl, entgegen der Impfstrategie des Bundes, nicht nur bei Personal, das in vorderster Front gegen das Virus kämpft. Das aber ist sogar vertretbar: Denn derzeit steht wohl jeder, der im Land in einem Krankenhaus arbeitet, irgendwie doch an vorderster Front.

Problemen in den Pflegeheimen 

In den Pflegeheimen und Impfzentren ist die Impfstrategie des Landes dagegen bislang auf weiter Front gescheitert. Eine Anfrage dieser Zeitung beim Deutschen Roten Kreuz ergab am Dienstag abend, dass für die Zeit bis zum 25. Januar erst 98 Heime einen Termin für die dort lebenden Menschen über das zentrale Terminvergabe des DRK ausgemacht haben. In den Heimen soll dann der örtliche Hausarzt den Impfstoff verimpfen, der zuvor von einem Mitarbeiter des DRK dort angeliefert wurde. Insgesamt gibt es im Land aber rund 300 Alten- und Pflegeheime, hieß es Ende Dezember auf einer Pressekonferenz. Rund zwei Drittel der Heime haben also noch nicht einmal einen Termin. Einer der Hauptgründe dafür ist wohl die Zustimmungspflicht zur Impfung: In den Pflegeheimen leben viele Menschen, die gesetzlich betreut werden müssen. Die Betreuer konnten von den Heimen aber erst kurz vor Weihnachten angefragt werden: Die für die Einwilligung in die Impfung erforderlichen Unterlagen lagen den Heimen zu spät vor – aber ohne Kenntnis der Freigabe des Impfstoffs durch die europäische Arzneimittelbehörde wären sie auch kaum rechtskräftig einholbar gewesen.

Terminvergabe klappt nicht  

Ein hausgemachtes Problem ist dagegen die Terminvergabe für die Impfzentren: Die Callcenter, die die Kassenärztliche Vereinigung Berlin-Brandenburg am Montag eröffnete, sind völlig überlastet. Was auch damit zu tun haben könnte, dass in Brandenburg eine andere Strategie gefahren wird als etwa in Berlin oder Mecklenburg-Vorpommern: Während in den beiden anderen Bundesländern Impfberechtigte zunächst einen Brief über die Einwohnermeldeämter erhalten und erst danach im Callcenter anrufen sollen, galt in Brandenburg ab Montag das Windhundprinzip: Alle über 80-Jährigen konnten zeitgleich in den Callcentern anrufen, um sich einen Termin geben zu lassen. Und zugleich wählten gefühlt auch alle anderen Einwohner des Landes die 116117. Denn bei keinem anderen Thema gibt es derzeit in der Bevölkerung so viel Unklarheit und Unwissenheit, wie in der Frage, was beim Impfen nun eigentlich gilt. 

Falsche Kommunikationsstrategie? 

Hier zeigt sich, dass die Landesregierung mit ihrer Kommunikationsstrategie nur einen Teil der Bevölkerung erreicht. Längst nicht alle über 80-Jährigen im Land lesen eine Zeitung, hören Radio, sehen die Fernsehnachrichten oder sind im Internet. Ein gezieltes Anschreiben der Impfberechtigten wie in Berlin oder Mecklenburg-Vorpommern oder ein an alle Haushalte verteilter Infoflyer wäre auch in Brandenburg deswegen das Mittel der Wahl gewesen. Hier liegt ein klarer Fehler in der Kommunikationsstrategie des Gesundheitsministeriums und der Landesregierung insgesamt, der zumindest dann ausgeräumt werden sollte, wenn die nächsten Altersgruppen an der Reihe sind.

Keine Erfahrung im Katastrophenfall 

Und auch die starke Einbeziehung der Kassenärztlichen Vereinigung macht derzeit Probleme: Zwar ist das Land auf die engagierte Mitarbeit der niedergelassenen Ärzte in der Impfstrategie zwingend angewiesen. Aber in der Krise zeigt sich, dass die Kassenärztliche Vereinigung nicht über hinreichend große Erfahrungen im Katastrophenfall verfügt. Alle dort Verantwortlichen geben unzweifelhaft ihr Bestes, doch ob das reicht, ist fraglich. Am Montag etwa kündigte die Vereinigung an, eine zweite Telefonnummer für das Callcenter zu kommunizieren. Obwohl das Callcenter immer noch überlastet ist, geschah das bislang nicht. Stattdessen entschuldigte man sich am Dienstag bei den Brandenburgerinnen und Brandenburgern für das angerichtete Telefonchaos. Und am Mittwoch verwies dann Gesundheitsministerium noch einmal darauf, dass Termine in Brandenburg nur unter der 116 117 vergeben werden - und bitte nur Impfberechtigte, also Menschen über 80 Jahre, dort anrufen sollten. Unklar bleibt auch weiterhin, wie wenig mobile Menschen in die Impfzentren gelangen sollen: Nonnemacher verwies inzwischen mehrfach darauf, dass es wegen eventueller Taxigutscheine und Fahrdienste Verhandlungen mit den Kreisen gäbe. Wobei sich hier dann auch die Frage stellt, warum das eigentlich Aufgabe des Gesundheitsressorts ist: Das in der Organisation von Verkehren ungleich erfahrenere Infrastrukturministerium wäre mit diesem Thema wohl besser befasst.

Verständnis aus der Landespolitik 

In der Landespolitik zeigte sich am Mittwoch dennoch noch viel Verständnis für die ja nicht nur wegen der Impfstrategie, sondern auch durch Vogelgrippe und Schweinepest unter Druck stehende Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne). Natürlich sei Gesundheitsministerin Nonnenmacher nicht für den Mangel an Impfdosen verantwortlich, sagte etwa Linken-Fraktionschef Sebastian Walter. „Sie ist aber verantwortlich dafür, dass die vorhandenen Dosen sinnvoll verteilt werden. Warum also haben wir nur eine Telefonhotline, die nie zu erreichen ist? Warum werden die Impfberechtigten nicht per Post verständigt? Und warum werden sie genötigt, auf eigene Faust zu einem der wenigen Impfzentren zu reisen, statt den Transport vor allem der ganz Alten zentral zu organisieren?“ Der Vorsitzende des Gesundheitsausschusses im Landtag, Björn Lüttmann (SPD), in dessen Ausschuss in der kommenden Woche mit Sicherheit lebhafte Diskussionen rund um das Thema Impfung zu erwarten sind, zeigte sich zuversichtlich, dass das Land ein höheres Tempo bei den Impfungen an den Tag legen kann und „wir das vernünftig auf den Weg bringen.“ Im Gespräch mit dieser Zeitung schlug er vor, auch in den Krankenhäusern Impfstellen einzurichten, und dafür etwa Mediziner einzusetzen, die wegen der aufgeschobenen Operationen derzeit nicht benötigt werden.

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