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Lokführer Malte Helm vor seiner Lok. Er hat gestern Abend den letzten Kohle-Zug aus dem Revier gefahren, bevor die Grube planmäßig stillgelegt wird. Voraussichtlich ab 2018/19 wird die Grube geflutet: Der „Ostsee“ soll der größte künstliche See in Deutschland werden.

© Sebastian Kahnert/dpa

Braunkohle in Brandenburg: Cottbus-Nord außer Betrieb: Aus Tagebau wird „Ostsee“

Cottbus-Nord ist die erste Vattenfall-Grube in der Lausitz, die planmäßig geschlossen wird.

Heinersbrück - Fotos hat Malte Helm an diesem Tag viele gemacht. Von der Förderbrücke, den Baggern und den mächtigen Erdhügeln. Es ist der letzte Arbeitstag in der riesigen Staubwüste in der Braunkohle-Grube nördlich von Cottbus. Der letzte Kohle-Zug sollte am Abend das nahe gelegene Kraftwerk Jänschwalde (Spree-Neiße) erreichen. „Es ist ein Abschluss“, sagt der 53 Jahre alte Lokführer. Vor mehr als 30 Jahren war er es, der den ersten Zug aus der Grube gefahren hatte, wie er berichtet. Wird er sich ein Stück Kohle als Andenken mitnehmen? „Hab ich schon“, sagt Helm und schmunzelt.

Mit Cottbus-Nord geht erstmals eine Grube des schwedischen Energiekonzerns Vattenfall in der Lausitz planmäßig außer Betrieb. Es handelt sich um den kleinsten von insgesamt fünf Tagebauen in Brandenburg und Sachsen. Seit 1981 wurden dort rund 220 Millionen Tonnen Kohle gefördert. Fast eine Milliarde Kubikmeter Erde mussten nach Konzernangaben dafür umgewälzt werden. Und viele Menschen mussten umsiedeln – ihre Dörfer gibt es heute nicht mehr.

Helm steht Dutzende Meter in der Tiefe neben seiner Lok. Dahinter reiht sich Waggon an Waggon mit Kohle. An der Lok ist ein Plakat befestigt: „Schichtwechsel“ steht darauf und „Glück Auf!“. Der 53-Jährige repräsentiert ein Stück des Stolzes, den viele Bergleute hier in der Lausitz empfinden. Zu DDR-Zeiten war die Braunkohle der wichtigste Energieträger. Mit der Wende kam eine Entlassungswelle, wie Helm berichtet. Heute arbeiten noch rund 8000 Menschen in den Gruben und Kraftwerken.

Doch die Zeichen stehen für den „Klimakiller“ schlecht, er steht unter heftigem politischen Druck. Umweltverbände fordern schon lange das Aus des fossilen Energieträgers, weil er besonders umweltschädlich ist. Im Juni bekannten sich die G7-Staaten im bayerischen Elmau zum schrittweisen Kohle-Ausstieg im Laufe dieses Jahrhunderts. 2014 lag der Braunkohle-Anteil an der deutschen Kraftwerks-Stromproduktion noch bei mehr als einem Viertel.

Selbst der schwedische Staatskonzern Vattenfall will sich aus dem Braunkohle- Geschäft in Ostdeutschland auch aus Umweltgründen zurückziehen und stärker auf erneuerbare Energie setzen. Wie es mit der Lausitzer Braunkohle weitergeht, ist ungewiss. Bislang ist vorgesehen, dass die letzte der fünf Gruben Mitte 2040 stillgelegt wird. Es gibt aber auch Pläne für den Ausbau von mehreren Tagebauen. Es gibt mehrere Kauf-Interessenten für die Braunkohle-Sparte von Vattenfall, darunter tschechische Konzerne. In der Lausitz liegt das zweitgrößte Braunkohlerevier Deutschlands, im Rheinland wird noch mehr gefördert.

Die große Abraumförderbrücke F34 und die Bagger stehen noch in der Grube Cottbus-Nord. Die Brücke, die Sand und Erde über Förderbänder wegtransportiert, damit die Kohle gefördert werden kann, steht schon seit dem Sommer still. Voraussichtlich im Februar wird sie gesprengt, wie eine Vattenfall-Sprecherin sagt. Im Januar soll indes der Umbau der Grube hin zu einem Badesee beginnen: Erde wird aufgeschüttet, der Zugausgang dadurch verschlossen.

Voraussichtlich ab Winter 2018/19 wird die Grube geflutet. Spreewasser wird zugeleitet, das sich mit Grundwasser mischt. Der „Ostsee“ soll laut Vattenfall der größte künstliche See in Deutschland mit 19 Quadratkilometern Wasseroberfläche werden. Umweltschützer sehen große Risiken, etwa bei der Wasserqualität. Greenpeace-Energieexperte Tobias Austrup sagt zudem: „Dieser Tag zeigt jedem möglichen Käufer, dass Vattenfall in der Lausitz kein gutes Geschäft, sondern vor allem große Verpflichtungen zum Verkauf stellt.“

Ähnlich äußerte sich die Grüne Liga. „Der Tagebau Cottbus-Nord hat in den vergangenen Jahrzehnten mehrere Dörfer und ein europäisches Schutzgebiet vernichtet. In Zukunft stellt vor allem die Wasserqualität des Restsees ein unkalkulierbares Risiko dar“, so der Kohleexperte des Umweltverbands, René Schuster. Probleme für das Biosphärenreservat Spreewald und die Trinkwasserversorgung Berlins könnten nicht ausgeschlossen werden. Vattenfall dürfe nicht aus der Haftung entlassen werden. (mit hkx)

Anna Ringle

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