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Manja Schüle und Olaf Scholz beim Wahlkampf in Potsdam. 

© Sebastian Gabsch PNN

Brandenburgs SPD nach der Bundestagswahl: Die Potsdam-Connection

Wissenschaftsministerin Manja Schüle verhandelt bei den Ampel-Koalitionsgesprächen mit. Empfiehlt sie sich damit für eine Position im Bund und einen Aufstieg in der Brandenburger SPD?

Potsdam - Als Bürger ihre Fragen an Olaf Scholz stellen können, zieht Manja Schüle ihre Schuhe aus. Sie tauscht mitten auf der Bühne die Pumps gegen Ballerina, die sie aus ihrer Handtasche zieht. „Ich komme mal zu Ihnen runter“, sagt sie, schnappt sich das Mikrofon, läuft mit dem lässigen Schuhwerk auf den gepflasterten Platz vor dem Brandenburger Tor und ebnet Scholz damit den Weg zum Potsdamer Publikum.
Der SPD-Kanzlerkandidat braucht ihre Hilfe. Ende Juli, bei der ersten großen Wahlkampfveranstaltung von Scholz als Direktkandidat in Potsdam, haftet dem Ex-Hamburger und Neu-Brandenburger noch das Image des unterkühlten „Scholzomaten“ an. Brandenburgs Wissenschafts- und Kulturministerin Schüle, die den Bürgerdialog moderiert, gibt sich alle Mühe, den potenziellen Wählern den Menschen Scholz nahezubringen. Sie erzählt, wie der Vizekanzler sie zu Hause besuchte und ihr Kind glücklich machte: Indem er sich spontan eine herumliegende Pappkrone aufsetzte, um dem kleinen Jungen nicht seine Kindervorstellung zu nehmen, so eine Art König sei heute zu Gast.
Nun, drei Monate später – die SPD hat die Bundestagswahl und Scholz sein Direktmandat in Potsdam gewonnen – sitzt Scholz’ Wegbereiterin und erfolgreiche Vorgängerin im Wahlkreis 61 mit am Tisch, wenn in Berlin über die Ampelkoalition im Bund verhandelt wird. Als einzige Vertreterin der märkischen SPD neben Landesparteichef und Ministerpräsident Dietmar Woidke. Holt Scholz Schüle, in Brandenburg Kabinettskollegin seiner Frau, SPD-Bildungsministerin Britta Ernst, womöglich in sein Bundeskabinett?
Es gab jede Menge Bilder im Wahlkampf, die deutlich gemacht haben: Da gibt es eine persönliche Allianz, eine gemeinsame Basis. Unermüdlich hat Schüle für Scholz getrommelt, samstags auf dem Babelsberger Weberplatz Kugelschreiber verteilt, kaum eine größere Veranstaltung in Potsdam mit ihm versäumt. Es gab auch Kritik an Schüles Wahlkampfeinsatz. Freie-Wähler-Chef Péter Vida hatte ein ganzes Dossier zusammengestellt über Fälle, in denen Regierungsmitglieder unlautere Wahlkampfhilfe geleistet hätten. Auch Schüle kommt darin vor, allerdings nicht im Zusammenhang mit Scholz, sondern wegen einer Förderscheckübergabe in Bernau.
An Scholz ist Schüle schon allein durch das gemeinsame Beackern des Wahlkreises dichter dran als die meisten anderen märkischen Sozialdemokraten. Aber David Kolesnyk nennt noch einen anderen Grund, warum die Ex-Bundestagsabgeordnete die Ampel im Bund auf SPD-Rot stellen soll. „Manja Schüle ist genau die Richtige für die Koalitionsverhandlungen“, sagt der kommissarische SPD-Generalsekretär, der für Scholz den Wahlkampf in Potsdam organisierte. Sie kenne sich bestens aus in ihren Themen, „Innovation, Wissenschaft und Forschung“ ist ihre Arbeitsgruppe, das war auch schon im Bundestag ihr Feld, bevor sie Woidke 2019 als jüngstes Mitglied ins Kenia-Kabinett holte. Auch bei den Koalitionsgesprächen im Land war Schüle damals eingebunden und hat, das sagen auch Teilnehmer der anderen Parteien, dort fröhlich-bestimmt SPD-Linien vertreten. Bei den Verhandlungen im Bund sei Schüle „eine wichtige Stimme für Brandenburg und den Osten“, lobt Kolesnyk. In Ostdeutschland gebe es noch zu wenig Ansiedlungen von Wissenschaft und Forschung. Dass sich das ändert, dafür trete Schüle ein. 

Schüle sorgt für Schlagzeilen  

Früher fristete das Wissenschaftsministerium in Brandenburg ein Schattendasein, stand selten im Fokus. Nun sorgt Schüle regelmäßig für Schlagzeilen. In der Hohenzollern-Debatte bezieht sie Position – gegen weitere Verhandlungen mit Georg Friedrich Prinz von Preußen, solange dieser Klagen gegen Historiker und Journalisten nicht zurückzieht. Im Dauerstreit um den Bau der Potsdamer Synagoge erzielte sie den Durchbruch. Die Landeshauptstadt wird Sitz einer Denkfabrik mit „Klimapapst“ Hans-Joachim Schellnhuber, die eine globale sozial-ökologische Bauwende vorantreiben will. Die gebürtige Frankfurterin setzt sich dafür ein, dass das Zukunftszentrum für Europäische Transformation und Deutsche Einheit in ihre alte Heimatstadt an der Oder kommt. Etwas, das sie mit entsprechender Position im Bund forcieren könnte.
Bislang waren dort Bildung und Forschung in einem Ressort zusammen, besetzt von der CDU. Beides sind Schlüsselthemen für die SPD, könnten also durchaus an die Sozialdemokraten gehen. Auch mit Bildungsthemen hat die promovierte Politikwissenschaftlerin Schüle Erfahrung. Sie war Landesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft für Bildung in der SPD und unter Günter Baaske Büroleiterin im Brandenburger Bildungsministerium. 

Ein anderer Typ als Klara Geywitz 

Olaf Scholz und Klara Geywitz.
Olaf Scholz und Klara Geywitz.

© Michael Kappeler/dpa

Wen manche auch in einer Funktion im Bund sehen würden, ist Klara Geywitz. Doch von der früheren Potsdamer Landtagsabgeordneten, die bei der Wahl zum SPD-Vorsitz 2019 erfolglos zusammen mit Scholz kandidierte und nun Vize-Bundesvorsitzende ist, sieht man derzeit eher wenig. Bei wenigen Wahlkampfveranstaltungen trat sie auf, mal als Moderatorin bei einer Awo-Runde mit Scholz im Thalia-Kino, mal als Vertretung für ihn beim PNN-Talk. Aber am Ampel-Verhandlungstisch sitzt sie nicht. Jung, weiblich, ostdeutsch. Das trifft auch auf Geywitz zu, die genauso alt ist wie Schüle, 45. Aber womöglich ist diese eher der Typ Politikerin, der jetzt in der SPD gefragt ist. Geywitz ist Scholz in seiner auf den ersten Blick spröde wirkenden Art mit trockenem Humor vielleicht zu ähnlich. Eine leutselige, umtriebige Manja Schüle, die sich vor aller Augen die hohen Hacken auszieht und „ordentlich Welle macht“, wie es manche in der Partei bezeichnen, könnte der SPD zu einem frischeren Image verhelfen. Schüle ist im positiven Sinne eine Rampensau. Die Netzwerkerin kennt keine Scheu, weder vor den Menschen von nebenan, noch vor den Mächtigen. Sie nimmt ihre Aufgabe ernst, aber sich selbst nicht zu sehr: Jubiläum beim Sportboot-Club Havelland SBC in Potsdam, Vereinsfeier. Schüle hält eine kurze, launige Rede. Im knallrot leuchtenden, ausgestellten Kleid. Sie habe sich überlegt, als Boje zu erscheinen, sagt sie, das passe ja gut zum Anlass. 

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Wer folgt irgendwann auf Dietmar Woidke?  

Schon länger wird im politischen Potsdam auch darüber geredet, wer Woidke, am Freitag 60 geworden, einmal nachfolgen könnte. Finanzministerin Katrin Lange, Vize-Parteichefin aus der Prignitz, wird genannt. Woidkes Naturell entspricht eher die ruhige Lange, die lieber hinter den Kulissen agiert. Aber vielleicht ist es so wie bei Scholz: Ein personelles Kontrastprogramm könnte der angestaubten SPD guttun. 

Katrin Lange
Katrin Lange

© Soeren Stache/dpa

Befeuert werden die Personaldebatten durch einen Vorstoß von SPD-Schatzmeister Harald Sempf einen Monat vor der Neuwahl des SPD-Landesvorstands. Er forderte am Freitag eine Doppelspitze aus Frau und Mann . „Wir führen eine moderne Regierung an und sind die stärkste SPD im Osten Deutschlands“, sagte er. „Da dürfen wir doch nicht im Mittelalter verharren.“ Für den Parteitag am 20. November bleibt der Vorstoß aber ohne Konsequenzen. Die Frist für Anträge sei abgelaufen, so David Kolesnyk. Und zu einem späteren Zeitpunkt: Wäre ein Wechsel in den Bund für eine weitere Parteikarriere im Land abträglich? Womöglich im Gegenteil. Manuela Schwesig, gebürtige Brandenburgerin, war Bundesfamilienministerin, ehe sie 2017 mit 43 Jahren in Mecklenburg-Vorpommern Ministerpräsidentin wurde.

Der Wahlkreis 61 am Verhandlungstisch

Wenn nun im Bund über eine Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP verhandelt wird, ist das auch ein kleines Potsdamer Stelldichein: Gleich drei aktuelle Direktkandidaten aus dem Wahlkreis 61 Potsdam und Umgebung treffen dort aufeinander. Neben den Kanzlerkandidaten von SPD und Grünen, Olaf Scholz und Annalena Baerbock, nimmt wie berichtet auch die Liberale Landesvorsitzende und frühere Generalsekretärin der Bundes-FDP Linda Teuteberg an den Gesprächen teil. Sie sitzt in der Arbeitsgruppe „Flucht, Migration und Integration“. Im Wahlkampf waren die drei Politiker bei einigen Runden aufeinandergetroffen, man kennt sich gut. Bei der Wahl im September erreichte Scholz 34 Prozent der Erststimmen, Baerbock auf Platz 2 kam auf 18,8 Prozent. Teuteberg kam hinter Saskia Ludwig (CDU) und Tim Krause (AfD) mit 8,9 Prozent auf Platz 5. Bei der Bundestagswahl vor vier Jahren war SPD-Siegerin Manja Schüle in Potsdam auch gegen Baerbock und Teuteberg angetreten. 

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