zum Hauptinhalt
Jörg Müller, neuer Leiter des Verfassungsschutzes in Brandenburg.

© Soeren Stache/dpa

Brandenburgs neuer Verfassungsschutzchef: Jörg Müller sagt Extremisten im Netz den Kampf an

Brandenburg hat mit Jörg Müller einen neuen Verfassungsschutzchef. Auf ihn warten große Herausforderungen.

Potsdam - Eines kann Brandenburgs neuer Verfassungsschutzchef Jörg Müller schon gut: Geheimnisse für sich behalten, Ansagen machen, ohne sich dabei zu sehr in die Karten schauen zu lassen.

Der 46-jährige, parteilose Verwaltungswirt, der am Montag von Innenminister Michael Stübgen (CDU) offiziell in sein neues Amt eingeführt wurde, will den Verfassungsschutz „neu ausrichten“, wie er sagt. Den Geheimdienst besser aufstellen für die moderne Zeit, in der sich Extremisten nicht mehr in Dorfkneipen absprechen würden, sondern in Chatrooms, sozialen Netzwerken, Messengerdiensten. „Die Digitalisierung des Extremismus ist schon vorangeschritten“, sagt Müller. Dass die Behörde, die er nun übernommen hat, da etwas hinterherhinkt, ist ein offenes Geheimnis. Wie viele Cyberspezialisten sich beim Landesverfassungsschutz bereits mit der Aufklärung extremistischer Bestrebungen im Netz beschäftigen, wie viele der 37 zusätzlichen Stellen, die der Landtag im Juni bewilligt hat, inzwischen besetzt sind, beziffert Müller nicht. Nur so viel: Alle Stellen seien noch nicht besetzt. „Der Markt an Spezialisten ist schwierig“, sagt Müller.

Noch nicht alle Stellen besetzt 

Die Aufstockung des Personals im Geheimdienst hatte im Vorjahr zu einem Streit innerhalb der damals noch rot-roten Koalition geführt. Im Januar kündigte Stübgens Vorgänger Karl-Heinz Schröter (SPD) an, dass er den Verfassungsschutz in eigener Regie um 27 Mitarbeiter aufstocken wolle. Das führte bei der Linken zu großer Empörung. Nach langen Verhandlungen einigten sich die Spitzen von SPD und Linke Anfang März darauf, den Verfassungsschutz vor allem wegen terroristischer Gefahren um 37 auf 130 Mitarbeiter aufzustocken.

Zahl der Rechtsextremisten auf Höchststand 

Denn der Verfassungsschutzbericht 2018, das betont auch Müller bei seinem ersten Auftritt am Montag, spricht eine deutliche Sprache: Mit 1675 Personen ist die rechtsextremistische Szene in Brandenburg so stark wie noch nie in der Geschichte des Landes. Besonders in Südbrandenburg verfestigt sich die rechtsextreme Szene, wie der Verfassungsschutzbericht belegt. Aber auch das Personenpotenzial der Islamisten erreicht mit 180 einen neuen Höchststand. Die Zahl der Linksextremisten, die besonders in Potsdam aktiv sind, ist fünf Mal in Folge angestiegen und liegt jetzt bei 620 Personen.

Ziel sei es, jegliche Form von Extremismus im Blick zu haben und zugleich die richtigen Akzente zu setzen, sagt Müller. Innenminister Stübgen hatte bereits kurz nach Amtsantritt im vergangenen November eine härtere Gangart gegen Rechtsextremisten angekündigt – auch in den Reihen des öffentlichen Dienstes. Er werde 2020 für das Land ein eigenes Programm zur stärkeren Abwehr rechtsextremistischer Bedrohungen vorlegen, erklärte er. Ein Punkt solle eine bessere Früherkennung rechtsextremer Bestrebungen sein.

Dass dabei präzise Recherche der Verfassungsschützer im Netz unabdingbar ist, zeigt auch eine aktuelle, von der Robert-Bosch-Stiftung geförderte Studie, die am Dienstag in Berlin vorgestellt wird. Dafür wurden durch das Institute für Strategic Dialogue (ISD) alternative Plattformen untersucht, wie sie etwa auch der rechtsextreme Attentäter von Halle genutzt hat. Ergebnis: Auf zehn analysierten Plattformen, darunter der Messenger-Dienst Telegram und die Gaming-App Discord, fanden sich rund 375 rechtsextreme und rechtspopulistische Kanäle und Communities.

Eine Verschärfung des Verfassungsschutzgesetzes, um das in der vergangenen Legislatur vehement gerungen worden und das der CDU in Teilen zu lax war, sieht Innenminister Stübgen momentan nicht für angezeigt. „Wir haben genügend Instrumente“, so Stübgen. Als „unverzichtbares Mittel“ bezeichnet sein neuer Abteilungsleiter dabei auch den Einsatz von Vertrauensleuten, kurz V-Leuten, die im neuen Verfassungsschutzgesetz nun bewusst „verdeckt Informationsgebende“ heißen. Denn einen maßlosen, zu vertrauensseligen Einsatz dieser Szene-Informanten dürfe es nicht geben, wie Jörg Müller betont. Es sei richtig, dass aus dem Fall „Piatto“, der im Zentrum des Brandenburger NSU-Ausschusses stand, Lehren gezogen worden seien. Der Einsatz von Leuten, die wie der wegen Mordversuchs verurteilten Neonazi Carsten Szczepanski alias „Piatto“ Verbrechen begangen haben, sei mit dem neuen Gesetz nicht mehr möglich. Zudem setzt Müller auf Prävention in Form von Aufklärung und Öffentlichkeitsarbeit: Informierte Bürger seien die beste Basis für eine funktionierende und wehrhafte Demokratie, betonte Müller.

Frank Nürnberger in Ruhestand versetzt 

Gleichzeitig wird in Sicherheitskreisen gerätselt, was den neuen Innenminister bewogen hat, ausgerechnet Müller – einen bislang öffentlich völlig Unbekannten – auf den Abteilungsleiterposten zu setzen, nachdem er kurz vor Weihnachten den obersten Verfassungsschützer Frank Nürnberger wegen nicht vorhandenen Vertrauens in den einstweiligen Ruhestand versetzte. Stübgen ist überzeugt: „Jörg Müller ist genau der Richtige für diese wichtige und schwierige Aufgabe.“ Zwar sei er in Sachsen geboren – „das sei ihm nachgesehen“, witzelte der Minister – aber „beruflich ist er ein Brandenburger im besten Sinne“.

Müller arbeitet seit 2001 im Innenministerium und war dort auch im Verfassungsschutz tätig. Zuletzt war er Chef des Leitungsbereichs im Ministerium. Er kenne sich aus und habe in seinen vorherigen Funktionen „stets hervorragende Leistungen vollbracht“, stellte Stübgen ihm ein Top-Einstellungszeugnis aus.

Zur Startseite