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Mondlandschaft. Der Energiekonzern Vattenfall will in der Lausitz weitere Tagebaue eröffnen.

© dpa

Brandenburg: Schlagabtausch um Braunkohle

Die Pläne des Energiekonzerns Vattenfall für den neuen Tagebau Welzow Süd II könnten vor Gericht landen - weil Kommunen in der Lausitz für das Vorhaben aktiv warben, aber auch weil der Freistaat Sachsen eine Fehler machte.

Cottbus - Die umstrittenen Pläne des Energiekonzerns Vattenfall für den neuen Tagebau Welzow Süd II werden wohl ein Fall für die Verwaltungsgerichte. Grund sind Verstöße einzelner Kommunen gegen die Neutralitätspflicht, Pannen bei der obersten Planungsbehörde und im Nachbarbundesland Sachsen.

Wie sich bei der am gestrigen Dienstag in Cottbus begonnenen Anhörung zum Braunkohleplan herausstellte, hatte die Gemeinsame Landesplanung Berlin-Brandenburg nach einer Anweisung des brandenburgischen Innenministeriums, Unterschriftensammelboxen der Kohlebefürworter aus den Amtsstuben zu entfernen, nicht energisch durchgegriffen. Denn es hatte sich keinen Überblick verschafft, wieviele Unterschriften aus diesen unrechtmäßig aufgestellten Sammelboxen offiziell in Beteiligungsverfahren berücksichtigt wurden. Stattdessen hatte die Behörde lediglich nach der Order aus Potsdam und beim Entfernen der Boxen aus den Amtsstuben die gefundenen Unterschriften gezählt. Wieviele der insgesamt vom Verein Pro Lausitzer Braunkohle gesammelten 68 000 Unterschriften für den Tagebau tatsächlich in der Zeit seit Juni in den Räumen kommunaler Verwaltungen gesammelt wurden, ist nicht klar.

Die oberste Planungsbehörde sieht darin kein Problem, obwohl nach Auffassung des Innenministeriums mehrere Kommunen mit dem Zulassen der Sammelboxen ihre Neutralitätspflicht verletzt haben und damit auch die dort eingereichten Unterschriften für den Tagebau unrechtmäßig sind.

Wie die Anwältin der Umweltorganisation Greenpeace, Roda Verheyen, den PNN sagte, droht der Braunkohleplan deshalb wegen Form- und Verfahrensfehlern vor Gerichten zu scheitern. Klagen in dieser Fragen seien wahrscheinlich. Verheyen verwies auf die Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts zu sogenannten „ Ewigskeitsfehlern“.

Zudem könnte der Freistaat Sachsen den Kohlegegnern einen Gefallen getan haben. Denn im Gegensatz zu Brandenburg ist dort der Braunkohleplan trotz weitreichender Änderungen nicht noch einmal ausgelegt worden und steht vor der Genehmigung durch das sächsische Innenministerium. Wie berichtet musste der Plan nach einer Anhörung im vergangenen Jahr geändert werden, etwa weil die energiepolitische Notwendigkeit nicht nachgewiesen werden konnte. Zudem gab es Änderungen etwa zum Wasserschutz. Auch Sachsen ist in Randbereichen des geplanten Tagebaus betroffen, der Braunkohleplan ist ein Gesamtwerk, das für Brandenburg und Sachsen gilt. Warum Sachsen für den geänderten Plan nicht wie Brandenburg noch einmal ein neues Beteiligungsverfahren gestartet hat, blieb bei der Anhörung in Cottbus unklar. Der Rechtsanwalt Dirk Teßmer, der von Abbaggerung bedrohte Einwohner von Welzow vertritt sagte, damit hätte Sachsen, das die Tagebaupläne befürwortet, ein Eigentor geschossen. Der Braunkohleplan für Welzow Süd II wäre deshalb vor Gericht leicht angreifbar. Denn rechtlich übrig bliebe nur ein Planungstorso für Brandenburg, der wegen der Verfahrensfehler in Sachsen nicht rechtskonform umsetzbar wäre.

Begleitet wurde der Auftakt der viertägigen Anhörung in Cottbus von Protesten von Befürwortern und Gegnern der Braunkohle. Rund 1500 Menschen kamen am Dienstag vor das Cottbuser Messezentrum. Zwei Drittel waren Mitarbeiter, vor allem Lehrlinge von Tagebauen, Kraftwerken und Firmen, die sich für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze einsetzten. Zu den Kohlegegnern gehörten Vertreter von Umweltverbänden, der Grünen sowie Bewohner aus Orten, die in zehn Jahren dem Kohletagebau weichen sollen. Mit dem Brennstoff will Vattenfall das Kraftwerk Schwarze Pumpe bis 2042 versorgen. Für den neuen Tagebau müssten 810 Menschen umgesiedelt werden. Das stößt bei den Bewohnern des Welzower Ortsteils Proschim auf Ablehnung. So waren von dort Landwirte wie schon bei der ersten Erörterung im September 2012 mit Traktoren angerollt.

Der Umweltverband BUND kritisierte, die gemeinsame Landesplanung von Berlin und Brandenburg habe in dem Verfahren erneut keinen Nachweis über die Notwendigkeit neuer Tagebaue erbringen können. Die Auswirkungen des Tagebaus auf die Klimaschutzziele des Landes seien nicht geprüft worden. Eine Umsetzung der Tagebauplanung Welzow-Süd II führe wegen der vorgesehenen Umsiedlungen von rund 825 Menschen zudem zu erheblichen Grundrechtsverletzungen. Alexander Fröhlich (mit epd)

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