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Stilvoll am See. Ingelore Radke betreibt das Café Constance seit mehr als zwanzig Jahren im Sinne der früheren Gräfin. Das Gemälde im Hintergrund zeigt Constance von Zieten als Vierjährige (l.) mit Mutter und Bruder. Es hing einst im Schloss.

© Peter Geisler

Auf Fontanes Fährte (1): Wustrau im Ruppiner Land: Espresso im Haus der Gräfin

Constance von Zieten schuf 1908 eines der ersten Dorfgemeinschaftszentren. Dort ist heute das Café Constance. Auch sonst ist Wustrau an der Südspitze des Neuruppiner Sees verlockend.

Acht Kinder hat sie geboren und großgezogen – aber sie war auch im höheren Alter noch unternehmungslustig. Deshalb bekam Constance von Zieten zu ihrem 70. Geburtstag am 16. Januar 1908 ein ungewöhnliches Präsent: Ihr Gemahl Albert Julius Graf von Zieten-Schwerin schenkte ihr ein großes, extra für sie neu gebautes Haus am Wustrauer Dorfanger. Ein perfekter Ort für ihr soziales Engagement. Constance schuf für die Mitarbeiter des Zieten’schen Rittergutes, aber auch für alle übrigen Wustrauer, einen Treffpunkt im Dorf. Es war eines der ersten Gemeinschaftshäuser in Deutschland, mit allem, was dazugehört: Theatersaal, Bibliothek, Musikraum, Billiardtisch, Kegelbahn, Spielplatz und Kindergarten.

Unablässig kümmerte sich die Gräfin um ihr Projekt

Heute beherbergt das Gebäude ein Café, das zu Ehren der Wohltäterin „Constance“ heißt. Denn unablässig kümmerte sich die Gräfin um ihr Projekt. Die Kinder bekamen Frischmilch und gesundes Essen, zu Weihnachten gab’s Bescherungen. Constance wohnte ja nur wenige Schritte entfernt im Schloss derer von Zieten am Ufer des Ruppiner Sees. Doch ihr Einsatz währte nicht allzu lange, sechs Jahre waren ihr noch vergönnt. 1914 starb Constance.

Christlich-sozial engagiert: Constance von Zieten. Das Bildnis hängt im Café Cosntance.
Christlich-sozial engagiert: Constance von Zieten. Das Bildnis hängt im Café Cosntance.

© Peter Geisler

Danach ging das Haus durch verschiedene Hände, es kam herunter – bis mehr als acht Jahrzehnte später die Rettung nahte: Das Wustrauer Ehepaar Ingelore und Loris Radke erwarb und sanierte den Bau 1997/98. Seither zischt im einstigen Theatersaal die Espressomaschine des „Café Constance“, lockt die selbstgebackene Heidelbeertorte zum Café Crème. Konzerte, Lesungen und Kunstausstellungen werden organisiert. Ganz im Sinne der Gräfin hat Ingelore Radke mit viel Seele Tradition und Gegenwart miteinander verbunden. Sanfte Ausstrahlung, kluger Blick – Ingelore Radke wirkt geradeso, wie man sich die einstige Gräfin nach den Erzählungen vorstellt. Sie stammt aus Ostprignitz-Ruppin, kam 1968 als Kindergärtnerin nach Wustrau, heiratete und blieb – zumal ihr Mann Loris Radke ja an der Südspitze des Sees aufgewachsen ist.

"Einfach idyllisch, diese Lage direkt am See"

Beide sind heute 69 Jahre alt. Was fasziniert sie in Wustrau? Da nennen sie zuallererst die idyllische Lage am See mit Badebucht und kleinem Hafen. „Außerdem ist unser Ort von der Anlage her mit all seinen geschichtsträchtigen Gebäuden wunderschön“, sagt Loris Radke. Der 1462 erstmals urkundlich erwähnte Ortskern grenzt ans Schloss, die Häuser gruppieren sich um den großzügigen Dorfanger sowie die Feldsteinkirche aus dem 13. Jahrhundert. Das Gotteshaus rühmte schon Theodor Fontane als „Ideal einer Dorfkirche“, die Gebäude drumherum beschrieb er als „saubere, vom Wohlstand zeugende Bauernhäuser“.

Prachtvoll. Das Barockschloss des Husarengenerals Joachim von Zieten in Wustrau.
Prachtvoll. Das Barockschloss des Husarengenerals Joachim von Zieten in Wustrau.

© TMB, Touristik-Partner

Überhaupt, Fontane begeisterte sich aus ganz ähnlichen Gründen für Wustrau wie die heutigen Freunde des Dorfes. Hier wehte für ihn noch der kräftige Atem der preußischen Geschichte. Vor allem wegen des legendären Reitergenerals Hans-Joachim von Zieten. In Wustrau ließ der „Ahnherr aller Husaren“, wie ihn Fontane verehrte, Mitte des 18. Jahrhunderts das bisherige Gutshaus seiner Familie zum Barockschloss ausbauen. Heute residiert dort die Deutsche Richterakademie.

In Wustrau begann Fontane seine literarischen Wanderungen

Aus guten Gründen begann der Dichter also in Wustrau seine „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“. Damit hat er das Image des Ortes literarisch nachhaltig angehoben. Seither strömen historisch Interessierte ins Dorf, das prägt die Gastronomie, die Atmosphäre. Sogar ein Museum für die Märkisch-Preußische Geschichte gibt es an der Zietenstraße. Und traditionell wird seit 15 Jahren ein Seefestival mit Open-Air-Theaterstücken inszeniert. Als dessen Gründer erstmals nach Wustrau kamen, bemerkten sie rasch, welche Chancen diese „Location“ bot: Preußen allgegenwärtig, perfekte Naturkulissen, Kulturgenuss kombiniert mit Sommerfrische und Lokalgeschichten, die sich dramaturgisch gut einbinden lassen. Zum Beispiel die Seeschlachten von Wustrau.

Zwei Junker organisierten ihre eigenen Seeschlachten

Dazu muss man wissen, dass den südlichen Seezipfel ein dörfliches Dreigestirn prägt: Wustrau, Karwe und Alt-Friesack. In Karwe lebte die Adelsfamilie von dem Knesebeck. 1785 waren Junker Karl Friedrich Knesebeck und Christian von Zieten, Sohn des Husarengenerals, eng befreundet. Beide lernten den Militärberuf – aber es gab keine Kriege. Also organisierten sie eigene Seeschlachten und heuerten dafür junge Dörfler an. Der Ruppiner Bildhauer Matthias Zagon Hohl-Stein hat diesen Kämpfen mit einem Schmunzeln ein Kunstwerk gewidmet. Die Stahlskulptur am Wustrauer Hafen sieht aus, als hätte sich Don Quijote mit seiner Lanze in ein Ruderboot verirrt.

Wie einst im Romanischen Café zu Berlin. Die Lampe in Form einer Montgolfière ist eine Kopie des Originals.
Wie einst im Romanischen Café zu Berlin. Die Lampe in Form einer Montgolfière ist eine Kopie des Originals.

© Peter Geisler

Solche Geschichten erzählt auch Ingelore Radke gerne im „Café Constance“. Vielleicht auf der Hofterrasse im Schatten des Nussbaums. Oder am Kamin unter dem Gemälde, das einst im Schloss hing und Constance als Vierjährige zeigt. „Sie war eine eher bescheidene Frau“, erzählt Radke. Derart schlicht, aber stilvoll wollte sie auch das Café einrichten. Es ist gelungen. An der Decke hängt ein Art-Déco- Leuchter, es ist die Kopie einer Lampe im Romanischen Café, dem einstigen Treff der Berliner Bohème am heutigen Breitscheidplatz.
Café Constance: geöffnet Freitag bis Sonntag, 12-18 Uhr, www.cafe-constance.de. mehr Infos zu Wustrau: www.wustrau.de

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