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David Eckert, Landeschef der Jungen Alternativen in Berlin, muss befürchten, dass sich die AfD von ihrer Parteijugend trennt.

© B. Thissen/dpa

AfD in Brandenburg und Berlin: Wo sich Junge Alternative und Identitäre Bewegung berühren

Offiziell gehen der AfD-Nachwuchs und die Identitäre Bewegung getrennte Wege. Die Praxis sieht in Brandenburg und Berlin aber ganz anders aus.

Berlin/Potsdam - Erneut hat Brandenburgs AfD-Fraktionschef Andreas Kalbitz einen mutmaßlichen Aktivisten der rechtsextremen Identitären Bewegung (IB) eingestellt. Seit Oktober wird der Berliner Joel Bußmann im Telefonverzeichnis des Landtags als Mitarbeiter der AfD-Fraktion geführt. Auf dem Türschild des Pressesprechers steht Bußmann als Referent. Bereits 2017 kam ein anderer Aktivist aus Berlin bei Kalbitz unter: Kai Laubach wurde sogar Grundsatzreferent in der Fraktion, ein entscheidender Posten.

Junge Alternative gerät in den Fokus des Verfassungsschutzes

Die Spur der beiden führt nach Berlin und zum dortigen AfD-Nachwuchs, der Jungen Alternative (JA). Berlins JA-Chef David Eckert hat schon ruhigere Tage als Vorsitzender erlebt. Weil zuletzt einzelne Landesverbände in den Fokus des Verfassungsschutzes gerieten, droht der JA insgesamt die Beobachtung. In der AfD wird öffentlich darüber nachgedacht, die 2000 Mitglieder umfassende JA von der Partei und damit von den Geldströmen abzuspalten. Auch in der JA rumort es heftig.

Anlass sind Überschneidungen zwischen Mitgliedern der JA und der IB. Zwar stehen die Identitären auf der Unvereinbarkeitsliste von AfD und JA – Mitglieder dürfen nicht zeitgleich Aktivisten der IB sein. Tatsächlich sind die Grenzen fließend. Eckert weiß das: Ende 2017 wurde der frisch gewählte JA-Vorstand unter seiner Leitung aufgelöst, weil der IB-Aktivist Jannik Brämer erneut zum Vizechef gewählt worden war – Unvereinbarkeitsbeschluss hin oder her. Bei der Neuwahl im Januar 2018 trat Brämer nicht wieder an, das Thema schien vom Tisch.

Netzwerke bestehen auf persönlicher Ebene weiter

Auf persönlicher Ebene bestehen die Netzwerke zwischen IB und JA weiter – auch in Berlin und Brandenburg. So posiert Joel Bußmann, seit Januar 2018 Stellvertreter Eckerts im Berliner JA-Landesvorstand, seit Monaten für ein von Brämer geführtes Modelabel. Auf Bußmanns Brust prangt der Slogan „Defend Berlin“ (Verteidige Berlin). Unter dem Motto „Defend Europe“ hatte die IB zuletzt gegen die Einwanderung von Flüchtlingen mobilgemacht. Das Label, zuletzt mehrfach auf Kongressen der JA vertreten, wurde 2016 von Brämer und einem weiteren der IB zugerechneten Aktivisten gegründet. Bußmann, wie Brämer Mitglied der rechtsnationalistischen Burschenschaft Gothia, einer schlagenden Verbindung, stört das wenig.

Und es gibt noch weitere Mitglieder des JA-Vorstandes, die gute Beziehungen zu Brämer und den Identitären pflegen. The-Hao Ha ließ sich mit Brämer beim JA-Bundeskongress im Februar fotografieren. Die Vorstandsmitglieder Ha, Talisa Barfuss und Bußmann nahmen an Demonstrationen der IB in Berlin teil. Benjamin Austin war 2016 in Wien, um mit der IB zu demonstrieren. Ein Foto zeigt ihn in einer Gruppe mit dem damaligen JA-Schatzmeister Jannik Brämer und Robert Timm, einem führenden Kopf der IB Deutschland.

"Wenn Distanzierungen erfolgen, dann nur auf Druck der Öffentlichkeit"

Simon Brost, Mitarbeiter der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin, sagt: „Von einer vollständigen und damit glaubwürdigen Abgrenzung der JA Berlin von der Identitären Bewegung kann nicht die Rede sein. Wenn Distanzierungen erfolgten, dann in der Regel nur auf Druck der Öffentlichkeit. Ebenso verhält es sich mit Parteiausschlussverfahren gegen einzelne Mitglieder der AfD, die dann am Ende häufig ergebnislos bleiben.“ Genau das trifft bislang auch auf Brämer zu. Er ist weiter Teil der JA, ein Ausschlussverfahren läuft noch. Auch ein laufendes Ermittlungsverfahren – Brämer soll am Rande einer IB-Aktion vor dem Bundesjustizministerium einen Zivilpolizisten beinahe überfahren haben – ist nicht abgeschlossen. Brämer selbst bestreitet, weiter Teil der IB zu sein, auch die Drähte zu AfD und JA seien gekappt. Dass er im Januar 2018 an einem Infostand der IB in Zehlendorf vor Ort war – reiner Zufall. Schließlich wohnte Brämer damals in der Nähe – genauer im Haus der Gothia.

In der Berliner AfD fehlt eine klare Linie dazu. Partei- und Fraktionschef Georg Pazderski will ein „Lagebild“ abwarten, sein AfD-Vorstandskollege Thorsten Weiß aber signalisierte Unterstützung für die Parteijugend. „Auch in schweren Zeiten! Ich stehe zur JA Berlin“, schrieb Weiß auf seiner Facebookseite. Weiß war von 2014 bis 2017 Vorsitzender der JA und lehnte in dieser Zeit eine Abgrenzung von der IB ab. Von Brämer ließ er sich im Wahlkampf unterstützen.

David Eckert wiederum sagt: „Vom AfD-Landesvorstand hätte ich mir mehr Solidarität gewünscht. Ein klares Bekenntnis zur JA ist bislang aber ausgeblieben. Etwas mehr Rückendeckung durch den Landesvorstand täte uns gut“, so Eckert.

AfD-Landeschef Kalbitz bekennt sich klar zur Jungen Alternativen

Sein Blick geht nach Brandenburg. AfD-Landeschef Andreas Kalbitz hatte sich klar zur JA bekannt. Kein Wunder: Der AfD-Rechtsaußen beschäftigt mit den JA-Mitgliedern Kai Laubach seit 2017 und Joel Bußmann seit Oktober 2018 zwei junge Männer, die ihre Nähe zur IB offen zeigen. Auch die Teilnahme der beiden an einer Party der Berliner Identitären mit AfD-Politikern am Burschenschaftshaus der Gothia stand ihrer Anstellung ganz offenbar nicht im Wege. 

Kalbitz hatte die Teilnahme an IB-Veranstaltungen als Einzelaktionen und „Verirrung“ bezeichnet, „die ich jedem zugestehe“. Alles Einzelfälle? Unvereinbarkeitsbeschluss? Im Landtag nimmt kaum jemand Kalbitz in diesen Fragen noch ernst.

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