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Der Berliner Historiker Hubertus Knabe, ehemaliger Leiter der Stasiopfer-Gedenkstätte Hohenschönhausen, wurde fristlos abgesetzt. 

© Tim Brakemeier/dpa

Ärger um Ex-Gedenkstättenleiter: „Kultur des offenen Sexismus“

Nach Sexismusvorwürfen: Mehrere Frauen werfen Ex-Gedenkstättenleiter Hubertus Knabe auch sexuelle Belästigung vor.

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Berlin - Auch gegen Hubertus Knabe werden nun Sexismusvorwürfe erhoben. Mehrere Frauen werfen dem entlassenen Direktor der Stasiopfer-Gedenkstätte Hohenschönhausen nach PNN-Informationen sexuelle Belästigung vor. Es geht um Äußerungen von Knabe, die sogar noch im Frühjahr 2018 gegenüber Mitarbeiterinnen gefallen sein sollen – also nachdem er bereits zum wiederholten Male über Sexismus-Vorwürfe gegen seinen Stellvertreter Helmuth Frauendorfer und die Leitung der Gedenkstätte informiert worden war.

War die Entlassung politisch motiviert? 

Politisch sind die Vorwürfe brisant: Denn von mehreren Seiten war die in der vergangenen Woche vom Stiftungsrat der Gedenkstätte beschlossene Entlassung des Direktors heftig als durchsichtiges politisches Manöver kritisiert worden, angeblich gesteuert von Kultursenator Klaus Lederer (Linke), um den politisch unliebsamen und unangepassten Knabe loszuwerden. Sogar von einer Intrige war die Rede. Es gebe keine belastbaren Vorwürfe gegen ihn, Knabes Rausschmiss sei politisch motiviert, hieß es. Der Vorstand des Vereins Gedenk- und Begegnungsstätte ehemaliges KGB-Gefängnis Potsdam sprach in einer am Montag verschickten Mitteilung von teils einseitiger, einer „Rufmordkampagne“ gleichenden Berichterstattung über Knabe, der selbst mehrere Jahre erster Vorsitzender des Vereins war.

Die Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen in Berlin-Lichtenberg. 
Die Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen in Berlin-Lichtenberg. 

© Paul Zinken, dpa

Stiftungsrat hatte kein Vetrauen mehr in Knabe

Dabei hatte der Stiftungsrat deutlich gemacht, warum Knabe gekündigt wurde. Das von Lederer geführte Gremium entschied in der vergangenen Woche: Der Stiftungsrat habe kein Vertrauen in Knabe, dass dieser „den dringend notwendigen Kulturwandel in der Stiftung einleiten wird, geschweige denn einen solchen glaubhaft vertreten kann“. Im Stiftungsrat sitzen eine Vertreterin von Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU), aber auch der Vertreter der Opferverbände Dieter Dombrowski (CDU), Vize-Präsident des Landtags Brandenburg. Beide haben den Rausschmiss mitgetragen.
Eine Anwältin hatte zuvor im Auftrag der Kulturverwaltung nach Gesprächen mit Frauen, die im Juni die Belästigungsvorwürfe erhoben haben, ein Gutachten erstellt. Das soll nicht nur Helmuth Frauendorfer, sondern auch Knabe belasten. Grütters sagte dem Deutschlandfunk: „Die Vorwürfe wären unseres Erachtens ohne eine Kultur des Wegschauens oder auch des Deckens dieser Vorgänge und des stillschweigenden Akzeptierens in der Gesamtleitung nicht möglich gewesen.“ Aus Sicht des Stiftungsrates hat Knabe ein Klima der Angst an der Gedenkstätte zu verantworten, sodass sich betroffene Frauen mit ihren Beschwerden an den Stiftungsrat gewandt hatten – und eben nicht an die Leitung oder an den Personalrat. 
Die neuen Sexismus-Vorwürfe gegen Knabe selbst spielten für den Rausschmiss aber noch keine Rolle. Es ging um zunächst um Belästigungsvorwürfe gegen seinen Stellvertreter Helmuth Frauendorfer, die 2016 und Anfang 2018 in der Senatskulturverwaltung bekannt geworden waren. Und es ging um Knabes Umgang mit den Sexismusverdacht. Dass er vorerst beurlaubt wurde, bis seine Kündigung zum 30. März 2019 wirksam wird, begründete der Stiftungsrat mit internen Ermittlungen. Dabei ging es nach PNN-Informationen aber auch um den Schutz von Mitarbeiterinnen. 

Belästigungsvorwürfe erst jetzt bekannt geworden

Vor zwei Wochen waren Beschwerden über strukturellen Sexismus in der Gedenkstätte und Belästigungsvorwürfe gegen Knabes Stellvertreter durch einen Bericht des rbb bekannt geworden, ein Anwalt räumte sogar Fehlverhalten ein. Vor der Enthüllung sind laut Senatsverwaltung sechs Frauen, die Anfang Juni ermutigt durch die „#MeToo“-Debatte einen Beschwerdebrief an Lederer und Grütters geschrieben haben, sowie zwei weitere Frauen angehört worden. Danach meldeten sich nach Informationen dieser Zeitung weitere Mitarbeiterinnen bei der Kulturverwaltung, die Sache wird aber noch mit höchster Zurückhaltung behandelt.  Versuche auf verschiedenen Kanälen, mit Knabe Kontakt aufzunehmen, um ihn mit den Vorwürfen zu konfrontieren, schlugen fehl. Ein Sprecher der Senatskulturverwaltung wollte „zu laufenden Verfahren und personalrechtlichen Einzelangelegenheiten keine Angaben machen“. 

Knabe soll köperlichen Kontakt zu Mitarbeiterinnen gesucht haben

Auch andere frühere Mitarbeiterinnen erheben Sexismus-Vorwürfe gegen Knabe. Demnach soll auch er körperlichen Kontakt zu jungen Mitarbeiterinnen gesucht haben. Die Zustände in der Gedenkstätte beschreibt eine frühere Mitarbeiterin als „Abhängigkeitskultur“ – und Knabe sei ein Teil davon gewesen. Als Frauendorfer zum Vize-Direktor wurde, habe „eine Kultur des offenen Sexismus“ Einzug gehalten, die von Knabe nicht unterbunden worden sei. Es habe ein Frauenbild vorgeherrscht, wonach Mitarbeiterinnen vor allem bei Veranstaltungen top gestylt „als Farbtupfer“ fungieren sollten. Sie habe Knabe als jemanden erlebt, der sich Menschen gefügig gemacht habe. Es habe bei ihm „etwas Diabolisches“ mitgeschwungen. Nicht nur diese frühere Mitarbeiterin äußert die Ansicht, dass Knabe schon seit Längerem „nicht mehr haltbar gewesen ist“. Warum die Verantwortlichen in der Politik so lange tatenlos zusahen, sei für sie nicht nachvollziehbar.

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